Prof. Dr. Peter Gallmann
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Optimalitätstheorie: Protokolle
Originaltexte &ndash einschließlich "Besonderheiten" bei Inhalt, Stil, Grammatik und Rechtschreibung! Einzige Anpassungen, sofern nicht besonders angegeben: Vereinheitlichung der Formatierung und Einfügen der HTML-Tags. Zu diesen gehört auch das Merkmal durchgestrichen bei allzu missverständlichen Sequenzen.
Datum: 8. Mai 2008
Thema: Wolfgang Sternefeld: Schreibgeminaten im Deutschen
Referat: Julia Jakisch
Protokoll: Ellen Thießen
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Die Referentin Julia Jakisch fasste in ihrem Vortrag die Grundregeln der Schreibgeminaten im Deutschen nach Wolfgang Sternefeld zusammen. Zum Einstieg erklärte sie den Unterschied zwischen phonetischer und graphematischer Präsentation eines Wortes und leitete dann zu den Graphem-Phonem-Korrespondenz-Regeln (GPK) über, die davon ausgehen, dass jedes Phonem genau einem Graphem entspricht. Daraus folgen zwei Hypothesen für die Analyse der Schreibgeminaten:
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Doppelkonsonanzschreibung (DKS) signalisiert Kürze / Ungespanntheit des vorangegangenen Vokals;
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DKS kennzeichnet Konsonanten selbst als ambisilbisch.
Prof. Gallmann fügte an dieser Stelle hinzu, dass sich diese Hypothesen bis heute gegenüber stehen, da beide die Problematik noch nicht detailliert genug beschreiben.
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Sternefeld folgt der zweiten Hypothese und leitet daraus die phonologische Präsentation der Silbe ab.
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Bei einsilbigen Wörtern mit Doppelkonsonant ergibt sich das Problem, dass sie nur ein Phonem, jedoch zwei Grapheme haben (z. B. Affe, Ebbe). Prof. Gallmann konkretisierte, dass bspw. "af.e" gegen die Onsetregel (Silben müssen einen Onset haben) verstößt, was jedoch durch Hinzufügen eines zweiten Konsonanten ("af.fe") verhindert wird.
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Im weiteren Verlauf des Referats stellte Julia Jakisch die CV-Phonologie, die Parse CV und die graphotaktische Beschränkung (Cluster) vor.
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Im Plenum stellte sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie man Regelverstöße vermeiden könne bzw. welche Beschränkung dazu die höchste Priorität hätte.
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Die Referentin verwies auf die Hierarchie von Sternefeld für die Optimalitätsregel-Organisation: Cluster >> Parse CV >> GPK. Das veranschaulichte sie an dem Beispiel "Hopfen" vs. "Hoppfen" vs. "Hoppen".
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Zum Schluss resümierte die Referentin, dass die Parse CV-Regel abgeschwächt werden müsse. So könnte man sie bspw. wie im Holländischen in silbische und unsilbische Einheiten aufteilen, um so die DKS in einsilbigen Wörtern (z. B. Ball) zu verhindern. Würde man z. B. "kommen" beugen, hätte das einsilbige "kommt" immer noch einen Doppelkonsonant.
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Prof. Gallmann bestätigte, dass die Regel noch nicht ausgeschöpft ist. Es müsste bspw. auch irgendwie berücksichtigt werden, warum "kommt" einen Doppelkonsonant hat und "samt" nicht.
Datum: 15. Mai 2008
Thema: Beate Primus (2007): Constraints on orthographic changes: the typological and historical variation of punctuation systems
Referat: Iris Dielenhein
Protokoll: Beatrice Jahnel
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Der Schwerpunkt der Sitzung am 15.05.2008 lag auf der Zeichensetzung, wobei das Komma eine gewisse Sonderstellung einnimmt. Hierbei handelt es sich um eine Mischung aus expliziter Regelung und dem Handeln nach einem Sprachgefühl, also der mentalen Sprachfähigkeit, wie Prof. Gallmann eingangs anfügte.
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Generell unterscheidet man zwei unterschiedliche Systeme. Das Prosodische stützt sich auf eine rhetorische Interpunktion (Beispiel: Englisch, Niederländisch), hingegen das grammatische System an syntaktische und semantische Unterschiede gebunden ist (Beispiel: Deutsch, Russisch). Ein Problem, das hierin bestand, war, dass sich die früheren Sprachwissenschaftler ausschließlich mit der geschriebenen Sprache befasst hatten. Nach heutigen Erkenntnissen gehören jedoch Prosodie und Syntax unmittelbar zusammen, was sich in der pluralistischen Sichtweise widerspiegelt.
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Beatrice Primus, auf die sich die Referentin bezog, vertritt nun folgende Ansicht: Entgegen der Annahme, Interpunktion wäre teilweise oder gar vollständig prosodisch gesteuert, kann durch die Optimalitätstheorie ein ausschließlich syntaktisch gesteuertes Interpunktionssystem stark gemacht werden. Dabei unterscheidet man 4 konkurrierende Regeln der Interpunktion, welche von der Referentin genauer erläutert wurden. Die NOCOMMA Regel besagt, dass jegliche Nutzung von Kommas verboten ist, da das für den Schreiber am ökonomischsten wäre. Es gibt aber gleichwohl über- oder unterzuordnende Einschränkungen, worauf die zweite Regel NON-SUB hinweist: Wenn zwei syntaktische Einheiten nicht syntaktisch miteinander durch Subordination verbunden sind, steht ein Komma zwischen ihnen (Bsp.: Peter came, Mary went.). Die dritte Regel SISTERS definiert sich wie folgt: Zwischen zwei Einheiten, die keine Schwestern auf dem syntaktischen Level sind, setzt man kein Komma (Bsp.: eine gute andere Idee). Als besonders schwierig wurde hier vor allem die Formulierung von Primus angesehen, die das Verständnis beeinträchtigte. Die letzte Regel CLAUSAL besagt, dass ein Komma zu setzen ist, wenn zwischen zwei Einheiten eine Satzgrenze auftritt (Bsp. Peter kam, Maria ging).
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Um überhaupt erst ein Kommasystem zu ermöglichen, muss NOCOMMA wenigstens von CLAUSAL oder von NONSUB dominiert werden. NONSUB wiederum muss von SISTERS dominiert werden, um Kommas innerhalb von Sätzen zu vermeiden. CLAUSAL und NOCOMMA werden in verschiedenen Sprachen unterschiedlich gewichtet. So ist im Englischen und den romanischen Sprachen folgende Hierarchie zu erkennen: SISTERS >> NON-SUB >> NOCOMMA >> CLAUSAL. Im Deutschen zeigt sich nachstehende Rangordnung: SISTERS >> NON-SUB >> CLAUSAL >> NOCOMMA. Weitere Möglichkeiten der Regelgewichtung in den verschiedenen Sprachen sind auf dem Handout angegeben. Abschließend wurden die Zusammenhänge an dem unten stehenden Beispiel nochmals verdeutlicht:
Kandidaten | SISTERS | NON-SUB | CLAUSAL | NOCOMMA |
Ich dachte er käme, nach Hause. | | ∗! | ∗ | ∗ |
→ Ich dachte, er käme nach Hause. | | | | ∗ |
Ich dachte er käme nach Hause. | | ∗! | ∗ | |
Datum: 15. Mai 2008
Thema: Kriese-Sukalla, Heike (2008): Optimalitätstheorie und Rechtschreibung
Referat: Lydia Mahnke
Protokoll: Juliane Wiegleb
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In ihrer wissenschaftlichen Hausarbeit untersuchte Heike Kiese-Sukalla die Regeln der Interpunktion im Deutschen, speziell der Kommasetzung, in Hinblick auf die Optimalitätstheorie (OT).
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Eine Gegenüberstellung der amtlichen Dudenregelung mit den Neuerungen der OT verdeutlicht die Probleme, die zu einer hohen Frequenz von Kommafehlern führen. Kann- und muss- Regelungen sowie konkurrierende oder überlappende Regeln ermöglichen eine gewisse Wahlfreiheit, was zu Varianz, aber auch zu Unsicherheiten und damit zu Fehlerbildung führen kann. Dazu kommt, dass der Schreiber kommarelevante Satzstrukturen erkennen muss, um die Regeln richtig anwenden zu können. Er muss also über ein gutes syntaktisches Basiswissen verfügen, zum Beispiel Nebensätze und Parenthesen von Hauptsätzen unterscheiden können.
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Nach der Beschränkungsordnung der OT werden die Kommaregeln in sieben Treue- oder Markiertheitsbeschränkungen eingeteilt und in eine Rangordnung gebracht. Die Unsicherheit bei konkurrierenden und überlappenden Regelungen wird so aufgehoben. Die Kann-Regelung (MöKselS) kann keinen fatalen Fehler bewirken.
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Am Beispiel
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Da lag er also[,] hinter dem Sofa, umgeben von einem schwarzen See …
wurde deutlich, dass die Kommasetzung auch von der individuell gemeinten Satzstruktur des Schreibers abhängig ist. Nur wenn mit hinter dem Sofa ein Zusatz gemeint ist, muss er mit einem Komma abgetrennt werden. Da lag er also hinter dem Sofa kann auch als zusammenhängende Aussage mit Präposition verstanden werden. Hier spielt die vom Produzenten abhängige Prosodie des Satzes eine Rolle.
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Im Vergleich zu Frau Kriese-Sukalla, fasst Beate Primus in ihrer Beschränkungsordnung die Kommaregeln zu übersichtlichen vier Beschränkungen zusammen. Diese sind allerdings oft semantisch sehr komplex aufgebaut und schwer nachzuvollziehen.
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Zusammenfassend kann die Optimalitätstheorie das Problem der Konkurrenz der Interpunktionsregeln aushebeln. Die Fähigkeit der Satzstrukturerkennung bleibt allerdings unerlässlich.
Datum: 22. Mai 2008
Thema: Wunderlich, Dieter (1999): German Noun Plural Reconsidered
Referat: Ellen Thießen
Protokoll: Julia Jakisch
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Das Referat vom 22.05.2008 beschäftigte sich mit der Pluralbildung von Nomen im Deutschen. Zur Orientierung hatte sich die Referentin mit einem Aufsatz von Dieter Wunderlich auseinandergesetzt. Einleitend ist darauf hingewiesen worden, dass schon Grimm besagte, dass die Pluralbildung vom Genus abhängig ist. Des Weiteren verwies die Referentin auf Zusatz- sowie Umlautungsregeln, welche für die Pluralbildung von Wichtigkeit sind, auf die jedoch in diesem Referat kein großes Augenmerk gerichtet werden sollte.
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Mit Hilfe eines Schemas wurde die allgemeine Pluralbildung verdeutlicht, woraus zum Beispiel ersichtlich wurde, dass die Mehrzahl der femininen Nomen auf -en endet, so wie alle schwachen maskulinen Substantive. Dabei ist s-Pluralisierung, wie zum Beispiel bei LKWs oder GmbHs, als eine für das Deutsche untypische Form ausgewiesen. Vorteile von Wunderlichs Theorie sind das Aufzeigen der Konkurrenz von Pluralmorphemen und der hierarchische Aufbau, wobei Herr Gallmann darauf verwies, dass so das System hinter jeder Sprache ersichtlich wird.
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Darauf stellte die Referentin die acht Beschränkungen von Wunderlich vor und erklärte dabei unbekannte Begrifflichkeiten wie Lexikalisierung und Mora. Besonders Letzteres stellt einen wichtigen Grundsatz vieler Sprachen dar und im Deutschen speziell ist der Daktylus sehr untypisch, wie bei Zeitungen oder Freundinnen. Nach der Vorstellung der acht Beschränkungen fragte Herr Gallmann, welche von ihnen Treue- und welche Markiertheitsbeschränkungen darstellen, wobei nur eine zu den Treubeschränkungen zählt.
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Nun sind gemeinsam Übungsbeispiele für Feminina bezüglich des n-Plurals gegen den Umlaut, abgehandelt worden, um die neu kennen gelernten Beschränkungen anwenden zu können. Dabei ist unter anderem verdeutlicht worden, dass die Umlautbeschränkung irrelevant wird, wenn im Lexikon ein entsprechender Eintrag fehlt. Die Maskulina und Neutra wurden mit dem Augenmerk auf das unbetonte Suffix gegen den s-Plural. Dabei fiel auf, dass der s-Plural meist als optimaler Kandidat herausfällt, was durch eine hierarchische Umsortierung geändert werden könnte, wobei Unbetont, n-Plural, s-Plural sowie Markplural gleichgestellt sind. Hier zählt nun die jeweilige Anzahl an Verletzungen, die ein Kandidat aufweist. Auf diese Art und Weise werden, laut Wunderlich, die Pluralvarianten angegeben.
Datum: 22. Mai 2008
Thema: Nomen: Pluralbildung bei Fremdwörtern
Referat: Lisa Thieme
Protokoll I: Sandra Steinberg
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Die Referentin Lisa Thieme beschäftigte sich im ersten Teil ihres Referates zum Thema der Pluralbildung bei Fremdwörtern mit dem Assimilationsprozess. Einleitend stellte sie heraus, dass neu in die deutsche Sprache eingehende Fremdwörter – und somit auch deren Pluralformen – anfangs noch nicht allgemein bekannt seien. Ein Bespiel hierfür ist das Wort Pizza: Die heutige, der deutschen Grammatik entsprechende bzw. native Pluralform lautet Pizzen. Jedoch als Übergangsform gilt Pizzas, bei der der so genannte s-Plural angewandt wurde. Ein weiteres Bespiel könnte das Wort Album darstellen, dessen heutige native Pluralform Alben lautet. Man kann hierbei annehmen, dass es auch in diesem Fall eine Übergangsform gegeben haben könnte, nämlich die Pluralform Albums. Der bereits erwähnte s-Plural ist typisch für neue Fremdwörter, denn er dient vor allem der Strukturbewahrung. Das heißt, dass es zu keiner Änderung des Wortes kommt, da nur ein -s angehängt wird. Dies ermöglicht somit die Erhaltung der Transparenz; das ursprüngliche Wort ist weiterhin erkennbar und nicht durch eine deutsche native Pluralendung verändert. Zusammenfassend kann man sagen, dass sich der Assimilationsprozess in zwei Schritten vollzieht, nämlich zuerst die Bildung bzw. die Verwendung des s-Plurals und schließlich seinen Abbau.
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In Bezug auf die Optimalitätstheorie erfüllt der im ersten Schritt des Assimilationsprozesses eingesetzte s-Plural die Treuebeschränkung. Weiterhin stellte die Referentin heraus, dass der s-Plural bei Wörtern mit kurzen Vokalen (zum Beispiel Tipps und Hits) und die Endung -e bei Wörtern mit langen Vokalen (zum Beispiel Turbane) zum Einsatz kommen. Der zweite Schritt im Assimilationsprozess setzt ein gewisses Morphembewusstsein beim Sprecher voraus. Das heißt, dieser muss wissen, welches Morphem bei welchen Wörtern zum Einsatz kommt (zum Bespiel Buch: Büch-er, Büch-lein). Diese Formen gibt es jedoch noch nicht bei neuen Wörtern (zum Beispiel Job: *Job-be).
Datum: 22. Mai 2008
Thema: Nomen: Pluralbildung bei Fremdwörtern
Referat: Lisa Thieme
Protokoll II: Merry Mill
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Lisa Thieme befasste sich im Zuge ihres Referates mit dem Thema der Pluralbildung bei Fremdwörtern. Aufgrund des Zeitmangels stellte sie am 22. Mai 2008 lediglich den Assimilationsprozess vor, um in der darauf folgenden Woche Bezug auf die nach Wegener erstellten Beschränkungen zu nehmen, eine Rangfolge zu erstellen sowie diese an Beispielen zu verdeutlichen.
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Die Referentin leitete ihr Thema dahingehend ein, dass Fremdwörter immer einen Assimilationsprozess durchlaufen, welcher 2 Schritte beinhaltet. Diese Schritte werden auf dem Handout der Referentin gut dargestellt.
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Darauf folgend, wurden die Beschränkungen nach Wegener vorgestellt, woraufhin Herr Gallmann
einwarf, dass durchaus gleiche Ansätze zu Wunderlich bestehen. Diese wurden im vorhergehenden Referat von Ellen Thießen vorgestellt.
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Die Beschränkungshierarchie für unassimilierte Fremdwörter beruht auf der Notwendigkeit von Struktur bewahrenden Flexionsformen. Dadurch entsteht eine leichte Erkennbarkeit des Stammes. Bei eben diesen unassimilierten Fremdwörtern nimmt die Korrespondenz bzw. die Treue eine höhere Hierarchie ein als die Wohlgeformtheit. Bei assimilierten Fremdwörtern ist dies genau entgegengesetzt. Die Wohlgeformtheit nimmt einen höheren Stellenwert ein als die Korrespondenz bzw. die Treue.
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1960 stand Pizze als erste Pluralform von Pizza im Duden. Diese ist aus dem Italienischen entlehnt. 1970 entschied man sich dagegen für die Pluralform Pizzas. Seit 1999 ist allerdings Pizzen als Pluralform geläufig und anerkannt. Diese Form schneidet auch am Besten ab, wenn man von Wegeners Beschränkungen ausgeht.
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Herr Gallmann stellte daraufhin die Frage an das Plenum, warum die Pluralform Pizzas nach eben diesen Beschränkungen so schlecht abschneidet, wo sie doch so geläufig und eigentlich logisch ist.
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Abschließend äußerte Herr Gallmann, dass es tendenziell zwar ein guter Lösungsweg von Wegener sei, aber "noch nicht der Weisheit letzter Schluss", da die Form Pizzas zu schlecht abschneidet.
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Die Referentin verwies am Ende ihres Referates noch auf einige Tendenzen. So ist die Entwicklung eines Fremdwortplurals von einer strukturbewahrenden, aber schwerer artikulierbaren, zu einer weniger strukturbewahrenden, aber leichter artikulierbaren Form wahrscheinlicher als die umgekehrte (z.B. Firma, Firmas → Firmen eher als Villa, Villen → Villas). Seltener gebrauchte Fremdwörter bestimmter Fachwortschätze können den s-Plural auch dauerhaft verwenden (z.B. der Sombrero – die Sombreros [statt Sombreren etc.]).
Datum: 29. Mai 2008
Thema: Andrew Carstairs-McCarthy (2004): System-congruity and violable constraints in German weak declension
Referat: Varinia Vogel
Protokoll: Sabine Rachlitz, Juliane Wiegleb
Datum: 5. Juni 2008
Thema: Klassifizierung der Personalpronomen
Referat: Christiane Stöckel
Protokoll: Franziska Gleiniger
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Am 5.6. stellte die Referentin im ersten Teil ihres Vortrags einen Aufsatz von Cardinaletti und Starke vor, der die Klassifizierung von Personalpronomen am Beispiel des Italienischen behandelt.
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Pronomen können sich zum einen auf belebte und unbelebte Elemente beziehen, wenn sie nicht koordiniert werden können. Hier handelt es sich um defektive Pronomen. Zum anderen können starke Pronomen koordiniert werden, beziehen sich dann aber nur noch auf belebte Elemente. In der Syntax können die defektiven Pronomen, die immer im Vorrang zu den starken gewählt werden sollten, was hier auf die Optimalitätstheorie hindeutet, in folgenden Situationen nicht auftreten: Basisposition, periphere Positionen, c-Modifikation und Koordination. Semantisch gesehen brauchen defektive Pronomen immer einen Antezedenten. Diese Regel gilt nicht, wenn Impersonalia und Explektiva sowie wenn generische Konstruktionen und referenzielle Subjekte auftreten. Im Gegensatz zu den starken Pronomen können die defektiven ihre eigene Geltungsrestriktion nicht selbst hervorbringen. Prosodische Reduktionen defektiver Pronomen werden bei der Koordination wieder aufgehoben.
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Diese beiden Arten der Personalpronomen unterschieden sich also zum Beispiel im Bezug auf Kombinierbarkeit und Koordinierbarkeit.
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Im Deutschen wird unterschieden in betonte und unbetonte Formen des Personalpronomens, die sich ebenso im Gebrauch unterscheiden, aber ohne formale Differenzierung sind. Dabei treffen folgende Merkmale zu: Betonte Pronomen beziehen sich auf belebte Elemente, unbetonte auf Personen oder Sachen. Zudem können betonte Pronomen mit Fokuspartikeln, die sich dann auf Personen beziehen, wie "nur" kombiniert werden. Eine Ausweichmöglichkeit für
die unbetonte Form bietet das Demonstrativpronomen. Nur betonte Pronomen können gereiht werden und beziehen sich dann auf Personen. Während unbetonte Pronomen besondere Stellen besetzen, stehen betonte an denselben Stellen wie Satzglieder mit Substantiven. Zudem können durch betonte Pronomen vorher nicht genannte Personen zum Thema werden.
Datum: 5. Juni 2008
Thema: Gereon Müller: Das Pronominaladverb als Reparaturphänomen
Referat: Carolin König
Protokoll I: Lisa Thieme
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Die Studentin stellte zu Beginn des Referats zwei Strategien für die Pronominalisierung innerhalb einer Präpositionalphrase (PP) vor: Einerseits das Erscheinen des regulären Personalpronomens in Form einer Nominalphrase (NP) in der PP als Pronominalisierung, wobei hier keine Bewegung des Pronomens erlaubt ist. Andererseits die Pronominaladverbbildung in Form des R-Pronomens, welches zusammen mit der Präposition ein Pronominaladverb bildet, wie beispielsweise da-r-an, wobei das R-Pronomen in Mittel- oder Vorfeld des Satzes bewegt werden kann.
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Die Bedingungen für die jeweils zu wählende Strategie für die Pronominalisierung innerhalb einer PP ergeben sich wie folgt: Pronomen [–belebt] = NP-Pronominalisierung und Pronominaladverbbildung möglich; Pronomen [+belebt, +menschlich] = nur NP-Pronominalisierung möglich; Pronomen [+belebt, –menschlich] = NP-Pronominalisierung, aber auch manchmal Pronominaladverbbildung. Für den Autor Gereon Müller ergaben sich daraus jedoch Fragen der Generalisierung, weil sich der Lizensierungsbereich der einen Strategie mit dem Verbotsbereich der anderen identisch überlagern könne. Demnach könnten sich beide Strategien auch aufgrund ihres Wettbewerbsbezuges zueinander unter Umständen blockieren.
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Das Wackernagel-Ross-Dilemma hob die Referentin erläuternd hervor, da dieses Dilemma für den Autor Gereon Müller der Grund für die Entstehung von Pronominaladverbien ist, die als Reparaturform toleriert werden, wenn die wichtigeren Beschränkungen von Wackernagel und Ross auf andere Weise nicht erfüllt werden können. Jakob Wackernagel, ein Schweizer Sprachwissenschaftler des 19. Jahrhunderts, vertrat die Position, dass unbetonte Pronomina am linken Rand des Satzmittelfeldes stehen müssen. Wohingegen John Ross in seiner Dissertation "Constraints on Variables in Syntax" aus dem Jahre 1967 der Meinung ist, dass aus einer PP heraus keine Umstellung einer kasusmarkierten NP erfolgen darf. Somit erfüllt *Fritz hat es gestern [PP an [NP t]] gedacht zwar Wackernagels Position, verletzt jedoch die Beschränkung von Ross. Umgekehrt erfüllt *Fritz hat gestern [PP an [NP es]] gedacht zwar Ross, verletzt aber die Beschränkung Wackernagels. Dieses Dilemma kann dadurch gelöst werden, dass das NP-Pronomen durch ein R-Pronomen, das mithilfe von da aus der Präposition an das R-Pronomen daran entstehen lässt, ersetzt wird, wodurch beide Beschränkungen erfüllt sind: Fritz hat gestern [PP da-r-an] gedacht.
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Anhand des Beispiels bezüglich der Optionalität von R-Pronomina und schwachen NP-Pronomina sowie der sich daraus ergebenden optimalen Kandidaten K1: W…[PP an ihn] und K2: W…[PP da-(r)-an t] fand sich hiermit ein Beweis bzw. eine Erklärung für die Varianz in der deutschen Grammatik, da beide Kandidaten im täglichen Sprachgebrauch toleriert werden.
Abschließend fügte Herr Prof. Dr. Gallmann hinzu, dass das Personalpronomen, welches in der Schulgrammatik als eine Wortartklasse erscheint, nun in Unterklassen zerfällt. Den unterschiedlichen Bezug auf diese Klassen gewährleistet die Optimalitätstheorie mittels der Interaktion der verschiedenen Regeln.
Datum: 5. Juni 2008
Thema: Gereon Müller: Das Pronominaladverb als Reparaturphänomen
Referat: Carolin König
Protokoll II: Iris Dielenhein
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Die Referentin stellte zu Beginn die zwei unterschiedlichen Strategien der Pronominalisierung von Präpositionalphrasen vor; dabei unterscheidet man die NP-Pronominalisierung, bei der das reguläre Personalpronomen erscheint, und die Pronominaladverbbildung, bei der das sogenannte R-Pronomen benutzt wird. Ein wichtiger Unterschied soll laut Müller dabei die Umstellbarkeit sein: Während eine Bewegung des Pronomens bei der NP-Pronominalisierung nicht erlaubt ist, kann bei der Pronominaladverbbildung zumindest in Norddeutschland eine Bewegung erfolgen; eine kurze Umfrage im Seminar zeigte aber eine breite Anerkennung der Umstellung, die also eher nicht mehr auf Norddeutschland beschränkt zu sein scheint.
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Es hat zunächst den Anschein, als stünden die beiden vorgestellten Pronominalisierungsstrategien in komplementärer Distribution, jedoch gibt es Fälle, bei denen beide Pronominalisierungen koexistieren. Ob NP-Pronomina Pronominaladverbbildung verbieten oder als zusätzliche Option erlauben, hängt besonders von den wichtigen Merkmalen [±menschlich] und [±belebt] ab. Dabei gibt es drei Möglichkeiten: Wenn ein Pronomen als [–belebt] interpretiert wird, sind beide Stragien möglich; wenn ein Pronomen als [+belebt ,+menschlich] interpretiert wird, ist nur die NP-Pronominalisierung möglich und wenn ein Pronomen als [+belebt, –menschlich] interpretiert wird, ist die NP-Pronominalisierung unproblematisch, die Pronominaladverbbildung allerdings variabel. Diese Auflösung deutet für Müller darauf hin, dass die beiden Strategien im Wettbewerb stehen.
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Zur Vorbereitung stellte die Referentin das Wackernagel-Ross-Dilemma vor; die Wackernagel-Beschränkung besagt, dass unbetonte NP-Pronomina in einer Position am linken Rand des Mittelfeldes stehen müssen (Wackernagelposition), während die Ross-Beschränkung besagt, dass aus einer PP heraus im Deutschen keine Umstellung einer kasusmarkierten NP erfolgen kann. Diese beiden Beschränkungen stehen einander entgegen: Das NP-Pronomen muss gemäß der einen Beschränkung aus der PP heraus in die Wackernagelposition verschoben werden, darf aber gemäß der anderen die PP nicht verlassen.
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Dieses Dilemma ist nach Müller der Grund für die Entstehung von Pronominaladverbien; das R-Pronomen ist eine Reparaturform, um beiden Beschränkungen gerecht zu werden.
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In Müllers Optimalitätstheorie formuliert er mehrere Regeln: ÖKON, die Spuren und damit jegliche Bewegung verbietet, SEL, die besagt, dass im Input spezifizierte lexikalische Sektionsanforderungen im Output respektiert werden müssen, PP-BAR, ein Element, das von P Kasus erhält, darf nicht aus der PP bewegt werden und PRON-KRIT, eine Subhierarchie vier verschiedener Regeln, die die Position des Pronomens festlegt; dabei wurde im Seminar betont, dass eine Verletzung eines hoch gewichteten PRON-KRITs auch die Verletzung aller anderen, niedriger gewichteten PRON-KRITs nach sich zieht. Die Gewichtung der Kriterien ist dabei PP-BAR >> PRON-KRIT-3 >> PRON-KRIT-2; SEL >> PRON-KRIT-1 >> ÖKON >> PRON-KRIT-0; SEL und PRON-KRIT-2 sind dabei gleich stark gewichtet.
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Der Ausweg aus dem Wackernagel-Ross-Dilemma ergibt sich damit durch eine Verletzung von SEL; PP-BAR blockiert als höchste Beschränkung immer die Bewegung eines NP-Pronomens aus einer PP in die Wackernagelposition, jede PRON-KRIT-Teilbeschränkung fordert diese Bewegung allerdings. Wenn das NP-Pronomen aber gegen ein R-Pronomen ersetzt wird, werden diese beiden Regeln nicht mehr verletzt. Unter Verletzung der Treuebeschränkung SEL kann so das Wackernagel-Ross-Dilemma aufgelöst werden.
Datum: 12. Juni 2008
Thema I: Christian Schwarz (2004): Die tun-Periphrase im Deutschen.
Thema II: Markus Bader / Tanja Schmid (2006): An OT-analysis of do-support in Modern German
Referat: Michael Galow
Protokoll I: Lydia Mahnke, Stefanie Käßler
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Der Referent Michael Galow befasste sich in seinem Vortrag zunächst mit den Erscheinungsformen von tun im Englischen. Hierbei dient das semantisch leere do als "last resort" und verfolgt einen rein funktionalen Zweck. Während do in Aussagesätzen normalerweise keine Verwendung findet, wird es in Fragesätzen bzw. Satznegationen gebraucht. Professor Dr. Gallmann fügte hinzu, dass do aber dann in Aussagesätzen benutzt werden kann, wenn es etwas besonders verdeutlichen soll. Dazu ist jedoch eine starke Betonung von do wichtig. Zur Verdeutlichung führte er das Beispiel: She did say that auf.
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Der Referent stellte im Weiteren tun als Vollverb im Standarddeutschen und seine Aufgaben vor. Die tun-Periphrase zählt in der Standardsprache als nicht korrekt, außer wenn der Infinitiv vorangestellt ist und die Handlung nachdrücklich hervorheben soll. Dabei kann tun die syntaktische Position des lexikalischen Verbs einnehmen oder eine komplette vorangehende Verbalphrase ersetzen. Im Bsp. Essen tue ich gern wurde tun in die linke Satzklammer verschoben und nimmt nun die C°-Position ein. Sätze wie Ich tu bloß noch schnell die Blumen gießen, in denen der Infinitiv nachgestellt wird, kommen eher umgangssprachlich vor. Noch seltener zeigt sich die Umschreibung des Konjunktivs mit tun, wobei die Verwendung hierbei auch regionsabhängig ist. Wir stellten fest, dass in Er wird schreiben tun das Auxilar überflüssig ist, da alle morphosyntaktischen Merkmale bereits erfüllt sind.
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In der OT-Analyse im Englischen erkannten wir, dass jeglicher Aufwand mit do vermieden wird; in Fragesätzen ist seine Verwendung jedoch optimal und der syntaktische Operator rückt ins Vorfeld. Im Hinblick auf das Deutsche wies Professor Dr. Gallmann bei der Beschränkung OB-HD auf die Ausnahme hin, dass bei interrogativen Nebensätzen die C0-Position leer bleibt. Als Beispiel diente uns der Satz: Ich weiß nicht welches Buch ich lesen soll. Doch auch hier gibt es Varianzen, beispielsweise im Süddeutschen.
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Im Bsp. "Keine Verwendung der tun-Periphrase im Alltagsdeutschen" stießen wir auf ein Problem, da mit Suppe tut Hans essen müssen der falsche Kandidat gewonnen hätte.
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Als Begründung für den Fehler wurde von einer Kommilitonin angebracht, dass gegen die Beschränkung NO-LEX-HEAD-MVT nur die Bewegung lexikalischer Verben verstößt und Modalverben (wie es bei müssen der Fall ist) nach den Autoren somit nicht gegen diese Beschränkung verstoßen.
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Abschließend führte Professor Dr. Gallmann an, dass der vorgestellte Ansatz sehr gut ist und alle Beschränkungen auch gut etabliert sind und somit auch geeignet erscheinen. Trotzdem gibt es noch Verbesserungsansätze, etwa die Einführung bestimmter Flexionsbeschränkungen.
Datum: 12. Juni 2008
Thema I: Christian Schwarz (2004): Die tun-Periphrase im Deutschen
Thema II: Markus Bader / Tanja Schmid (2006): An OT-analysis of do-support in Modern German
Referat: Michael Galow
Protokoll II: Andreas Hänisch
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Das Referat dieser Sitzung behandelte das Auxiliar tun. Als Einstieg wählte der Referent das Beispiel aus dem Englischen, den "do-support". Do und auch das deutsche tun als Auxiliar haben keinen semantischen Gehalt. Sie sind also leer und erfüllen damit nur einen funktionalen Zweck. Dabei ist zu beachten, dass die Verwendung des leeren do nur möglich ist, wenn es wirklich nötig ist, es dient somit als "letzter Ausweg". Zu Beginn der Sitzung hatte Prof. Gallmann bereits darauf hingewiesen, dass das Verbot von Funktionswörtern (wie von, oder auch tun als Auxiliar) im Deutschen sehr tief gerankt ist.
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Die tun-Periphrase ist in der Standardsprache nicht korrekt, mit der Ausnahme, dass der Infinitiv vorangestellt ist, um eine Handlung hervor zu heben. Die Bildung einer tun-Periphrase in zusammengesetzten Zeitformen ist ebenfalls nicht möglich, da im Satz "Er wird schreiben tun" bereits das wird alle Eigenschaften besitzt und tun nicht nur semantisch sondern auch grammatisch leer ist.
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Die Regeln für die OT-Analyse des Auxiliar tun sind gut etablierte Regeln, das heißt sie gelten nicht nur für das Deutsche sondern auch für andere Sprachen. Nur das Ranking ist verscheiden, was der Referent am Vergleich von Englisch und Deutsch verdeutlicht. Doch selbst im Deutschen gibt es drei verschiedene Rankings. Rankings für Standardsprache ohne Topic, für Standardsprache mit Topic und für Alltagssprache. Die Topic-Regel gibt es nur im Deutschen und bedeutet, dass immer etwas im Vorfeld stehen muss. Diese Topic-Regel ersetzt somit die OP-SPEC Regel. Prof. Gallmann wies darauf hin, dass dies nicht unbedingt eine elegante Variante darstellt. Letztendlich erfüllen TOPIC und OP-SPEC den gleichen Zweck.
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Im Ranking der Alltagssprache sind die Regeln FULL-INT und NO-LEX-HEAD-MVT gleichwertig, was aber bei der Übung zu Problemen führte. Bei den Sätzen a "Suppe tut Hans essen müssen" und b "Suppe muss Hans essen" verstößt Kandidat a gegen FULL-INT und Kandidat b gegen NO-LEX-HEAD-MVT. Da diese Regeln für die Alltagssprache gleich gerankt sind, wären beide Varianten korrekt. Da aber Kandidat b zweimal gegen die niedrigste Regel STAY verstößt (und a nur einmal) gewinnt plötzlich a, also der falsche Kandidat.
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Das Plenum überlegte darauf hin, wie der richtige Kandidat gewinnt. Wenn man das Modalverb müssen zu den Funktionswörtern zählt, dann gewinnt Kandidat b, da Funktionswörter verschoben werden können. Modalverben als Funktionswörter zu behandeln ist jedoch eine veraltete Variante.
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Am Ende der Sitzung wies Prof. Gallmann noch darauf hin, dass tun auch in Nebensätzen auftauchen kann. Dazu würde man eine zusätzliche Flexionsregel benötigen.
Datum: 19. Juni 2008
Thema: Monika Rathert: Zur Morphophonologie des Partizips II im Deutschen
Referat: Beatrice Jahnel
Protokoll I: Michael Galow
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Die Referentin begann ihre Ausführungen mit einer übersichtlichen Einleitung. So stellte sie fest, dass sich das Partizip II im Deutschen bei schwachen Verben mit einem Dentalsuffix -(e)t bildet, starke Verben hingegen einen Nasalsuffix -en mit Präfix ge- aufweisen. Besonders zu beachtet sei dabei, dass das Präfix ge-
bei der starken Bildung unterschiedlichste Positionen besetzen kann, differenziert wird hier die wortinitiale, wortmediale und wechselnde Stellung, wobei auch ein vollkommener Ausfall des Präfixes ge- möglich ist. Besonders bei einer wechselnden Stellung muss die Doppelform beachtet werden: vgl. hausgehalten und gehaushaltet.
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Die Referentin ging ferner folgend darauf ein, dass die DUDEN Grammatik zwischen Partikelverben, Präfixverben, Rückbildungsverben und Konversionen unterscheidet. Bei Partikelverben steht ge- zwischen Verbpartikel und Verbstamm. Bei Präfixverben und Verben, die nicht anfangsbetont sind, darf keinen Erweiterung mit ge- erfolgen. Abhängig vom jeweiligen Verb kann ge- bei Rückbildungsverben und Konversionen wortinitial oder wortmedial auftreten.
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Im Anschluss daran stellte die Referentin kurz die historische Entwicklung des ge-Präfixes dar. Als sichere Überlieferungen gelten hier die althochdeutschen und mittelhochdeutschen Formen wie gi- und ge-. Bei früheren Sprachentwicklungen stößt man hingegen oft auf rekonstruierte Erkenntnisse, besonders bei der urwestgermanischen Form bestehen Unklarheiten. Die Referentin stellte ferner dar, dass Präfigierungen in Einzelfällen erhalten blieben, wenn eine semantische Differenzierung zwischen präfigiertem und unpräfigiertem Verb erfolgt war: vgl. horchen und gehorchen. Darüber hinaus bestehe eine starke Korrelation zwischen dem Aufstieg des flexivischen ge- und dem Niedergang des derivaten ge-, wobei die Etablierung des flexivischen Gebrauchs in Schritten erfolgte. Es findet sich
bis heute beispielsweise kein ge- bei perfektiven Verben, im Passiv in der heutigen Standardsprache ist es als letzter Rest noch erhalten: vgl. Die Briefe sind gefunden worden. Und nicht: Die Briefe sind gefunden geworden. Im 17./18. Jahrhundert vereinheitlichte sich die Verwendung des Präfixes.
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Den eigentlichen Hauptteil des Referates stellte die Analyse der Verwendung des Präfixes mit Hilfe der Optimalitätstheorie dar. Ausgehende These der Arbeit M. Ratherts war, dass ge- zur morphophonologischen Klasse der unabtrennbaren Verbpräfixe gehöre, somit daraus auch alle Positionierungsfaktoren von ge- im Partizip II folgen. Diese These bestätigte sich durch die aufgestellten Constraints. Die Referentin stellte folgende Beschränkungen für die Klasse der unabtrennbaren Verbpräfixe vor:
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Kardinalität – Ein Wort enthält höchstens ein unabtrennbares Verbpräfix.
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Stamm-Letzt – Die unabtrennbaren Verbpräfixe präfigieren den letzten Wortfähigen Stamm.
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Betonung – Die unabtrennbaren Verbpräfixe werden von einer betonten Silbe gefolgt. Hierbei traten bei der Bearbeitung im Seminar allerdings Unklarheiten auf. Die Betonung, so auch Prof. Dr. Gallmann, sei immer anhand eines Hauptsatzes zu untersuchen.
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Maximalität – Der Kandidat enthält alle Elemente des Inputs.
Die Hierarchie im Deutschen folgt der oben genannten Rangfolge, wobei die Constraints Stamm-Letzt und Betonung als gleichwertig anzusehen sind. Bei dem Beispiel des Partikelverbs auslachen zeigte sich der optimale Kandidat aus-ge-lacht, wobei ge-auslacht aufgrund des Constraint Stamm-Letzt ausgeschlossen wurde. Der Kandidat auslacht, also eine Version ohne ge-, scheiterte an der Beschränkung Maximalität. In Beispielen mit nicht anfangsbetonten Verben und Präfixverben bewies die Analyse, dass hier auf ein weiteres Präfix verzichtet werden muss, wobei die Beschränkung Kardinalität im Vordergrund stand: entführt gegenüber *ge-entführt,*ent-ge-führt. Nach einigen weiteren Beispielen zeigte die Referentin, dass diese Analyse durch ein einfaches Umstellen der Constraints auch anderen Sprachen gerecht werden kann, hierfür lieferte sie ein Beispiel aus dem Niederländischen. Am Ende des Referates ging die Referentin kurz auf einen konkurrierenden Ansatz zu Rathert ein. Geilfuß-Wolfgang setzt in der Analyse ähnliche, aber teilweise unklar erscheinende Contraints. Unklar war in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der Partikel in den Ausführungen, hier muss geklärt werden, was darunter verstanden werden kann und, ob ein Präfix ausgeschlossen ist oder eben nicht.
Datum: 19. Juni 2008
Thema: Monika Rathert: Zur Morphophonologie des Partizips II im Deutschen
Referat: Beatrice Jahnel
Protokoll II: Varinia Vogel
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Die Referentin Beatrice Jahnel bezog sich in ihrem Vortrag auf die morphophonologische Analyse des Partizips II nach M. Rathert. In diesem wird von vier Beschränkungen ausgegangen:
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Kardinalität >> Stamm-Letzt / Betonng >> Maximalität
Diese Reihenfolge gilt für das Deutsche. Für das Mittelhochdeutsche gilt eine andere Hierarchie:
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Kard >>Max / Stamm-Letzt >> Betonung
Am Beispiel der Partikelverben zeigt sich, dass ohne die Annahme, dass Partikel betonungsneutral sind, der optimale Kandidat nicht ausgelacht, sondern auslacht wäre. Herr Gallmann machte während des Vortrages darauf aufmerksam, dass die Variante stu-ge-diert vielleicht absurd erscheint, dass es aber zum Beispiel im Indogermanischen das Phänomen des Infixes gab und im Lateinischen davon noch Reste vorhanden sind (fundere, fudi, fusum). Ebenso bei den Präfixverben erklärte uns die Referentin die Unterscheidung derselbigen. Die inchoativen Präfixverben richten ihren Fokus auf den Ereignisbeginn, zum Beispiel erblühen, und die perfektien auf das Ereignisende, zum Beispiel verblühen. Ge- war nicht immer ein flexivisches Präfix, sondern auch ein derivates und trug den semantischen Inhalt perfektiv. Dadurch würde durch ge- bei den inchoativen Präfixverben ein Widerspruch entstehen und bei den perfektiven eine Dopplung, so dass bei den Präfixverben die Bildung des Partizips ohne ge- stattfindet. Dies wird durch den optimalitätstheoretischen Ansatz von Frau Rathert bestätigt.
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Herr Geilfuß-Wolfgang hat ebenfalls einen morphophonologischen Ansatz, seine Beschränkungen sind jedoch komplizierter ausgedrückt als bei Frau Rathert. Zudem finden zwei von vier Beschränkungen eine gleichbedeutende Beschränkung bei Ratherts Ansatz. Die erste Beschränkung bei Geilfuß PrtV-to-Prt findet bei Rather keine Entsprechung und ist auch die schwierigste. Bei der Beschränkung ge-to-V schlägt Herr Gallmann vor, dass ge- ganz links stehen muss. (Hier stellt sich eine Frage: Wenn wir dies annehmen, können wir dann die erste Beschränkung so verstehen, dass die Partikel ebenfalls ganz links stehen muss?) An dem Beispiel liegenbleiben zeigt Rathert an, dass der Ansatz von Geilfuß nicht funktioniert, da seine Theorie zwei optimale Kandidaten erhält. Herr Gallmann betonte dabei, dass liegenbleiben ein Zweifelsfall ist und der Duden die Getrenntschreibung empfiehlt.
Datum: 26. Juni 2008
Thema: Valenz und Satzbaupläne (Dieter Wunderlich: Optimal Case Patterns: German and Icelandic Compared)
Referat: Kathleen Schwanengel
Protokoll: Sylvia Jurchen, Gesine Ehm
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Dem Referat zur "Kasusverteilung im Satz" ging zunächst ein Rekurs auf die vorige Sitzung voran: Modalverben, so die generelle Annahme, schließen einen Ersatzinfinitiv statt einer Partizip-II-Konstruktion mit ge- an, z. B. Er mochte nicht warten. Im Frühneuhochdeutschen jedoch waren ge-Konstruktionen, wie Er mochte nicht gewarten, durchaus möglich. Die Faktenlage, so Herr Gallmann, sei historisch noch nicht gesichert und problematisch für das Generieren von Regeln. Besonders untransparent erschienen die Alignement-Regeln bei Geilfuß-Wolfgang, was vor allem dem unpräzisen Partikelbegriff geschuldet war. Generell seien aber Anordnungsbeschränkungen sowie Zahlenbeschränkungen (Kardinalität) durchaus praktikabel und sinnvoll.
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Die Referentin Kathleen Schwanengel begann ihr Referat mit Begriffsklärungen zu Satzbauplan, Valenz, der Theta-Rollen bzw. Theta-Hierarchie und Kasushierarchie (Nom > Akk > Dat > Gen). Die Wertigkeit von Verben in ihrem Valenzrahmen stellte sich durchaus als kontextabhängig heraus mit Grenzfällen, wie z. B. übersetzen (vierwertig?). Wunderlich suche, indem er sich auf die Universalgrammatik beziehe, nach Abweichungen vom typischen Nominativ-Akkusativ-Muster zum Nominativ-Dativ-Muster. Das (semantisch) höchste Argument steht im Deutschen ganz links, was einen Widerspruch zu Dativ-Nominativ-Verben darstellt. Wunderlich stellte schließlich folgendes Ranking auf:
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FaithLexVal > Default > Unique > Faith[+hr, +lr] > Faith [+hr], *[+lr] > Faith[+lr], *[+hr]
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Nach Herrn Gallmann ergebe im Ranking die Anordnung SEMHIER vor Faith(LexVal) eine absolut regelmäßige Sprache ohne Ausnahmen, dies gilt auch für alle anderen Sprachen. Würden ferner die letzten vier Beschränkungen im Rang vertauscht (… > Faith [+lr], *[+hr] > Faith [+hr], *[+lr]), so erhielte man das Ranking für das Baskische.
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Sonderfälle, in denen ganze Streichungen von Satzgliedern möglich sind, führte die Referentin ergänzend als Beispiel an: Er sagt von sich fleißig zu sein, aber
er kommt mir doch eher faul vor. "Er" ist in diesem Falle streichbar, da die Phrasen den gleichen Kasus haben.
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Anschließend unternahm die Referentin einen kleinen Exkurs zum Ergativ. Ergativ-Sprachen, wie Baskisch, Tibetisch und Grönländisch, weisen ein markiertes Subjekt in transitiven Sätzen auf, die ein direktes Objekt haben. Hier gibt es keine Unterscheidung von Kasus- und Funktionsidentität. Deutsch hingegen ist eine Akkusativ-Sprache. Daher darf im Deutschen der Ergativ im Optimalitätsranking nie gewinnen.
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Abschließend betonte die Referentin, dass in der Grammatik des Deutschen das Verhältnis von Kasus zueinander relativ gesehen werden sollte und Dativ sowie Nominativ immer gesondert behandelt werden müssten. Herr Gallmann schloss die Sitzung mit der Anmerkung, dass es im Deutschen Dativ-Nominativ-Verben und Nominativ-Dativ-Verben gibt.
Datum: 3. Juli 2008
Thema: Daniel Büring (2001): Let's Phrase It! – Focus, Word Order, and Prosodic Phrasing in German Double Object Construction
Referat: Andreas Hänisch
Protokoll I: Christiane Stöckel
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In dem Text "Let's Phrase It! - Focus, Word Order, and Prosodic Phrasing in German Double Object Constructions" von Daniel Büring wurde der Versuch unternommen, die Abfolge der Satzglieder und den Fokus mittels der Optimalitätstheorie herzuleiten.
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Zunächst wurde der Fokus beleuchtet. Hierbei ist von drei Kategorien auszugehen, welche das sogenannte prosodic phrasing determinieren.
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PWd: Lexikalische Köpfe (heads) bilden prosodische Wörter.
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AD: Es gibt Akzentdomänen, in denen jeweils ein Wort den Hauptakzent tragen kann.
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iP: Es gibt Intonationsphrasen.
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Der Autor stellte folgende Beschränkungen auf:
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ADF (Accent Domain Formation) beinhaltet:
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PRED: Das Prädikat teilt die Akzentdomäne (AD) mit mindestens einem Argument.
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XP: Die AD beinhaltet eine XP. Wenn es eine XP und eine YP in einer AD gibt, beinhaltet die eine die andere.
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A/P (Argument over Predicate): Das Argument wird bevorzugt akzentuiert.
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FP (Fokus Prominent): Der Akzent liegt auf dem Fokus.
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Daraus ergibt sich das folgende Ranking: FP >> ADF >> A/P.
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Anschließend wurde eine weitere Beschränkung hinzugefügt, iP-HEAD-RIGHT. Diese besagt, dass der Akzent in der rechten AD liegen muss. Allerdings kommt es dabei zu Problemen, wenn komplexe Fokusse vorliegen. Es wird in diesem Fall mindestens einmal gegen FP verstoßen, da jede Phrase nur einen Kopf hat.
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Aus diesem Ranking ergibt sich die Satzgliedstellung AkkO >> DatO, welche nicht der Grundordnung des Deutschen entspricht. Daher fügt Büring die Beschränkung DAT ein. DAT(ive) besagt, dass das Argument im Dativ vor dem Argument im Akkusativ stehen muss. Die Beschränkung DAT und ADF sind dabei gleichwertig. Daraus ergeben sich zwei optimale Kandidaten für die Wortstellung, die beide grammatisch korrekt sind: die morphosyntaktisch optimale Variante und die prosodisch optimale Variante.
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Die deutsche Sprache stellt somit in der Kompatibilität morphosyntaktischer und prosodischer Beschränkungen eine Ausnahme dar.
Datum: 3. Juli 2008
Thema: Daniel Büring (2001): Let's Phrase It! – Focus, Word Order, and Prosodic Phrasing in German Double Object Construction
Referat: Andreas Hänisch
Protokoll II: Judith Malicke
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Der Aufsatz "Let's phrase it! Focus, Word Order, and Prosodic Phrasing in German Double Object Constructions" von Daniel Büring lag der Sitzung zu Grunde. Zuerst wurden die Begriffe "Fokus" und "Intonation" definiert: Im Fokus befinden sich Aspekte sprachlich vermittelter Sachverhalte, deren Relevanz der Sprecher/Autor hervorheben möchte. Fokussierte Aspekte lassen sich mit Frageproben ermitteln. Herr Gallmann ergänzte, dass der Terminus "Fokus" mit dem Begriff "Rhema" in der Textlinguistik vergleichbar ist. Intonation wurde als Teil der Prosodie klassifiziert, der diejenige syntaktische Einheit innerhalb der fokussierten Konstituente markiert, die ein Fokusmerkmal trägt. Diese Markierung bewirkt, dass der Fokus von der einen hervorgehobenen syntaktischen Einheit auf die gesamte Konstituente übertragen wird.
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Im Anschluss wurde der Fokus in Verbindung mit der Wortreihenfolge im Mittelfeld betrachtet. Folgende Faktoren nehmen Einfluss auf die Position von Dativ- und Akkusativobjekten: definite Nominalphrasen (NPs) stehen vor indefiniten; non-fokussierte NPs gehen fokussierten voraus; NPs, die im Dativ stehen, stehen vor NPs, die im Akkusativ stehen. Solange die Dativ-NP der Akkusativ-NP vorausgeht, kann gegen die anderen Faktoren verstoßen werden: Ich habe dem Kassierer das Geld gegeben ist z.B. als Antwort auf die Frage Wem hast du das Geld gegeben? akzeptabel, obwohl der Fokus auf der ersten NP liegt, die von einer nicht-fokussierten gefolgt wird. Die Dativ-NP-Akkusativ-NP-Reihenfolge kann nur umgekehrt werden, wenn die anderen beiden Bedingungen erfüllt sind. Die Dativobjekt-Akkusativobjekt-Reihenfolge wurde deshalb als Grundordnung, die umgekehrte Reihenfolge dagegen als Ergebnis einer syntaktischen Verschiebung angenommen. Aus dieser Annahme lassen sich folgende Regeln ableiten: bewege keine fokussierte NP; bewege keine indefinite NP. Büring formulierte daraus die Beschränkungen FinalFocus (FF) und INDefinites, die fordern, dass der Fokus am Ende der Phrase auftritt und dass eine indefinite NP in der Verbalphrase bleiben muss und demnach nicht aus dieser heraus bewegt werden darf. Zusätzlich formulierte Büring die Treuebeschränkung STAY. Das Ranking dieser Beschränkungen wurde wie folgt ermittelt: IND >> STAY << >> FF. Anhand einer Tabelle wurde gezeigt, dass STAY und FF im Ranking gleich viel Gewicht haben: Eine definite Akkusativ-Objekt-Phrase kann – obwohl sie nicht fokussiert ist – hinter dem fokussierten Dativ-Objekt stehen. (Hier liegt eine FF-Verletzung vor.) Aber auch der Kandidat, der ein aus der Verbphrase bewegtes definites Akkusativobjekt, gefolgt vom fokussierten Dativobjekt aufwies erwies sich trotz des Verstoßes gegen STAY als akzeptabel.
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Nachfolgend wurde FF durch präzisere und natürlichere Beschränkungen, die für prosodische Phrasierung gelten ersetzt. Hierbei sind drei Ebenen zu beachten. Lexikalische Köpfe formen die erste: Prosodische Wörter (PWd). Die zweite sind Wortgruppen/Accent Domains (AD), in denen ein Wort den Hauptakzent hat. Mehrere Accent Domains bilden die dritte Ebene: Intonationsphrasen. Es wurde die Accent Domain Formation-Beschränkung (ADF) vorgestellt, die sich aus folgenden Aspekten konstituiert: das Prädikat teilt die AD mit mindestens einem Argument (PRED), die AD beinhaltet eine XP und wenn sowohl eine XP als auch eine YP in der AD existieren, beinhaltet eine die andere. In das präzisierte Ranking wurden außer der ADF-Beschränkung auch Argument over Predicate (A/P) und FocusProminent (FP) aufgenommen. Letztere Beschränkung besagt, dass der Akzent auf dem Fokus liegen muss. Als Ranking wurde die Reihenfolge FP >> ADF >> A/P angenommen und in einer Tabelle am Beispiel von [VP [NP das Geld] F geben] belegt. Dabei zeigt sich, dass die Kandidaten, die "verlieren" nicht unverständlich oder ungrammatisch, sondern eher unüblich sind. Eine weitere Tabelle enthielt die Beschränkung iP-Head-Right, die besagt, dass der Kopf einer Intonationsphrase die AD ist, die am weitesten rechts steht. Es wurde deutlich, dass diese Beschränkung in Deutsch nahezu immer eingehalten wird, also im Ranking erstplatziert auftaucht. Die Diskussion ergab, dass gegen iP-Head-Right kein Verstoß möglich ist, wenn es nur eine AD gibt. In einer weiteren Tabelle wurden komplexe Fokusse betrachtet. Dabei wurde klar, dass ein Satz mit zwei Fokussen mindestens einmal gegen FP verstoßen muss, weil jede Phrase nur einen Kopf hat.
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Um Variation in der Satzgliedreihenfolge möglich zu machen (d.h. zu berücksichtigen, dass Akkusativobjekt-Dativobjekt nicht immer die optimale Reihenfolge ist) wurde eine Modifikation des Rankings vorgeschlagen: STAY sollte höher gerankt sein als ADF. STAY wurde umformuliert zu Dativobjekt > Akkusativobjekt (Dat). Eine Tabelle mit dem Ranking FP >> DAT << >> (prosodic constraints [ADF] >> [A/P]) veranschaulichte, dass man so korrekt bestimmen kann, wann zwei unterschiedliche Satzgliedstellungen möglich sind und wann nicht.
Datum: 10. Juli 2008
Thema: Evolution der Sprache (Martin Haspelmath, 1999: Optimality and Diachronic Adaption)
Referat: Merry Mill, Stefanie Käßler
Protokoll II: Kathleen Schwanengel
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Das Referat zum Thema "Evolution der Sprache" befasste sich mit dem Aufsatz "Optimality and Diachronic Adaption" des deutschen Linguisten Martin Haspelmath. Haspelmath vervollständigt die allgemeinen Beschränkungen der Optimalitätstheorie sowie die funktionalen Beschreibungen durch eine Theorie der diachronen Anpassung, welche in engem Bezug zur biologischen Evolution steht, da bestimmte sprachliche Muster einem evolutionärem Verlauf unterliegen. Die Teleologie – die Lehre von der ziel- und zweckbestimmten Ordnung – ist in die Überlegungen zu integrieren, da grammatische Beschränkungen nicht auf Zufall zurückzuführen sind. Eine Theorie der Anpassung wird daher benötigt.
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In der Sprache existieren Spannungen zwischen dem Bequemlichkeitsstreben ("striving for ease") und dem Deutlichkeitsstreben ("striving for clarity") des Sprechers. Diese von Gabelentz erkannten Konflikte können durch vier Beschränkungen gelöst werden. Die Plausibilität der einzelnen Regeln der OT ist dabei von großer Bedeutung. Zur Veranschaulichung diente den Referentinnen das Beispiel der Verteilung des Pluralallomorphs /-z/, /-əz/, /-s/ im Englischen in Wörter wie cat, bush und stone. Folgende constraints stellte
Gabelentz hierarchisch auf: 1. SameVoice: beide Obstruenten innerhalb einer Silbe müssen entweder stimmhaft oder stimmlos sein, 2. OCP (Sibiliant): Sequenzen von Zischlauten sind verboten, 3. DepIO: Das Einsetzen von Segmenten ist verboten und 4. Identity (Voice): Input und Output sind identisch gesprochen.
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Die grammatische OT und die Gebrauchs-OT verlaufen zum größten Teil parallel und sind angepasst. Das Konzept der linguistischen Anpassung ist vergleichbar mit dem der biologischen Evolution. Die Referentinnen verwiesen hierbei auf Darwins Evolutionstheorie. Durch die natürliche Auslese finden komplexe Anpassungsprozesse statt, welche auch letztlich ökologische Nischen füllen. Verwiesen wurde dabei zum einen auf die Anpassung der Polarfische an ihren Lebensraum durch kälteresistente Proteine sowie die Entwicklung der Halslänge von Giraffen aufgrund von Vorteilen bei der Nahrungsbeschaffung. Das Prinzip des "survival of the fittest" ist hierbei von großer Bedeutung. Projiziert man Darwins Evolutionstheorie auf die Linguistik, muss man zunächst von einer strukturellen Variation ausgehen. Die Variante mit dem geringsten Produktionsaufwand für den Sprecher verfestigt sich dann im Laufe der Zeit und wird verbindlich. Dies wird auch bezeichnet als funktionale Selektion. Die User-Optimality spielt hierbei eine wichtige Rolle. Herr Gallmann fügte hinzu, dass auch die Entstehung der Kasus aus der User-Optimality resultiert, da die Fälle deshalb geformt wurden, um Mehrdeutigkeiten auszuschließen und zu vermeiden. Der Kasus hat sich herausgebildet, sich als nützlich erwiesen und somit stabilisiert. Wo kein Nutzen ist, verschwinden Erscheinungen auch wieder. Jedoch gibt es einen Unterschied zwischen Biologie und Sprache, denn in der Biologie kommt es oft zu zufälligen Mutationen und in der Sprache handelt es sich oft nicht um Zufälligkeiten. Variation und Selektion in der Sprache stehen sich gegenüber.
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Haspelmath versucht, die grammatische Optimalität und die Benutzeroptimalität anhand der diachronen Anpassung zu erklären, rechnet allerdings von vornherein mit Kontroversen an seiner Theorie. Ergänzend zu den anfangs genannten Beschränkungen stellt er zusätzliche constraints auf und lässt diese mit "user-optimal"-Varianten korrespondieren. Die benutzerfreundlicheren Tendenzen verdichten sich im Laufe der Zeit und werden zu einer allgemeinen Regel: "No Voice Coda", auch Auslautverhärtung genannt, korrespondiert mit "user-optimal No Voiced Coda". "MAXLEX" korrespondiert mit "user-optimal MAXLEX". Die Referentinnen verwiesen darauf, dass hierbei in der "user-optimal"-Variante Funktionsmorpheme phonetisch reduziert werden können, ohne das inhaltliche Verständnis zu beeinflussen. Vor allem Vokale am Wortende werden dabei ausgelassen, da Wörter meist durch ihre Anfangssegmente erkannt werden. Herr Gallmann verdeutlichte dies anhand des Beispiels "ich öffne's" versus "ich öffn'es", wobei die Variante "ich öffne's" die bevorzugte Anwendungsvariante ist. Hierbei wird zwar die Input-Output-Regel verletzt, jedoch wird der Schaden am Funktionswort eher geduldet als am lexikalischen Wort. Des Weiteren meinte Herr Gallmann, dass man im Fall des Beispieles "cats" den vierten Kandidaten "kaed-z" hinzufügten könnte. Resultat wäre, dass es zwei Sieger geben würde (kaet-s und kaed-z). Um dieses Ergebnis zu "reparieren" müsste man die Beschränkungsregel Ident(Voice) aufspalten. Zum einen für lexikalische Wörter und zum anderen für Funktionswörter und Suffixe. Erst dann wäre die Variante "kaet-s" die einzig richtige. Weitere korrespondierende Beschränkungsregeln wären "DROPTOPIC" und "user-optimal DROPTOPIC" (Auslassen des Subjektpronomens bei Vorhersagbarkeit) sowie "STAY" und "user-optimal STAY". Die Belebtheitshierarchie ANIMATE > INANIMATE besagt, dass das höhere Argument belebter sein muss, da Hörer am meisten an Informationen über Belebtes interessiert sind. Das Passiv dient hierbei als Ersatzkonstruktion, jedoch besteht im Deutschen kein Passivzwang. Die Beschränkungsregeln ICONICITY, ECONOMY, PHONETIC EFFICIENCY, COMPENSATION und EARLY IMMEDIA CONSTITUENTS sind noch zu nennen, wurden jedoch von den Referentinnen nicht weiter erläutert.
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Zusammenfassend wurde von den Referentinnen und Herrn Gallmann erwähnt, dass Sprache ein dynamisches und selbstorganisiertes System ist. Die Optimalitätsbegrenzungen haben sich in der OT postuliert. Viele der Begrenzungen der deutschen Sprache sind in anderen Sprachen nicht vorzufinden. Die Universalgrammatik hat sich als versehentlicher Nebeneffekt einer Variante herausgebildet, sich als nützlich erwiesen und stabilisiert. Die höher frequentierten Varianten stellen meist die "user-optimal"-Varianten dar und verfestigen sich im Laufe der Zeit. Ähnlich wie biologische Merkmale in der Evolution. Die Lebewesen mit den günstigsten Eigenschaften werden die besten Überlebenschancen haben. Grammatische Begrenzungen sind nicht angeboren, sondern ergeben sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch und stellen letztendlich Universaleigenschaften einer Sprache dar.
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Haspelmaths Theorie ist auf kritische Widersprüche gestoßen, welche in der folgenden Sitzung thematisiert werden.