Prof. Dr. Peter Gallmann
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Infinite Verbformen: Protokolle
Originaltexte &ndash einschließlich "Besonderheiten" bei Inhalt, Stil, Grammatik und Rechtschreibung! Einzige Anpassungen, sofern nicht besonders angegeben: Vereinheitlichung der Formatierung und Einfügen der HTML-Tags. Zu diesen gehört auch das Merkmal durchgestrichen bei allzu missverständlichen Sequenzen.
Datum: 6. November 2008
Thema: Zur Valenz des Verbs
Referat: Maria Geipel / Christin Sohn
Protokoll I: Anne Röser
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Nachdem einige organisatorische Fakten durch Herrn Gallmann geklärt worden waren und die Referentinnen ihr Handout verteilt hatten, begannen sie mit ihrem Vortrag zur Valenz des Verbs, welcher der erste Teil des Seminars eröffnete. Ihr Ziel war es, die in der Syntax-Theorie-Vorlesung gelernten Grundlagen zu wiederholen und zu festigen.
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Die Valenz des Verbs ist die Eigenschaft eines Wortes, eine oder mehrere Ergänzungsbestimmungen zu fordern. Dabei wurden zwei Arten von Valenzen unterschieden. Einerseits die semantische Valenz, die eine Besetzung von semantischen Rollen fordert und andererseits die syntaktische Valenz, die eine Art und Weise darstellt, wie die vom Verb geforderten Leerstellen morphologisch-syntaktisch realisiert werden sollen. Um die semantische Valenz verständlicher zu gestalten, wurde ein Beispiel erläutert:
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Das Verb "kaufen" ist ein zweiwertiges Verb und verlangt dadurch zwei semantische Rollen. Wer kauft? – Ich. Was wird gekauft ? – Ein Buch. Somit bildet "ich" die erste und "ein Buch" die zweite semantische Rolle. Jede semantische Rolle ist eine thematische Rolle und eine Theta-Rolle. Die Gesamtheit der von einem Verb vorgegebenen Theta-Rollen wird als Valenzrahmen oder Argumentationsstruktur bezeichnet und bekommt das griechische Zeichen ϑ. Anschließend wurden die Fachbegriffe Argument und Adjunkt näher erläutert. Unter einem Argument versteht man in der Grammatik eine Phrase, die das Verb benötigt, um einen Sinn innerhalb des Satzes herzustellen. Dagegen ist das Adjunkt eine Phrase, die im Satz nicht notwendig ist, sie ist lediglich eine zusätzliche Information. In diesem Zusammenhang wurde eine Probe vorgestellt, wie man prüfen könne ob eine vorliegende Phrase ein Argument oder ein Adjunkt sei. Dazu folgendes Beispiel:
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Martha kocht [eine Suppe].
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Die Phrase "Martha" wird im Valenzrahmen von "kochen" benötigt um den Sinn des Satzes zu verstehen. Deshalb ist "Martha" ein Argument. "Eine Suppe" dagegen ist weglassbar und beim Beispielverb "kochen" nicht wesentlich, um den Sinn des Satzes zu verstehen. Somit wird diese Phrase als fakultatives Argument bezeichnet. Erweitert man den Beispielsatz um eine dritte Phrase, nämlich "eifrig" ("Martha kocht eifrig eine Suppe."), dann bildet diese ein Beispiel für die Gruppe der Adjunkte. Diese sind wie bereits erwähnt vollständig weglassbar und unnötig um den Sinn des Satzes zu verstehen.
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Um eine Bestimmbarkeit der Argumente festzulegen, erläuterte die Referentin das Modell der Theta-Hierarchie. In diesem steht das Argument mit der höchsten Aktivität/ Beliebtheit oben und wird als Agens, handelnde Person, bezeichnet. An unterster Stufe steht der Patiens, der über die höchste Passivität verfügt und dadurch vom Agens kontrolliert wird. Zwischen beiden Stufen nimmt der Experiencer eine Zwischenstellung ein, der nicht durch Eigenaktivität bestimmt und der Wahrnehmende ist. Beispiel für einen Experiencer ist:
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Ich wundere mich über das Wetter.
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Anhand eines weiteren Beispiels wurde dem Auditorium diese Hierarchie erklärt.
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Der Dieb hat die Frau bestohlen.
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In diesem Beispiel ist "der Dieb"(steht im Nominativ; Subjekt) die ausführende Person und wird somit als Agens bezeichnet. Im Gegensatz dazu steht "die Frau"(ist Akkusativobjekt), die hier offenbar das Opfer, also der Patiens ist. Aber der Patiens ist nicht immer ein Objekt und der Agens ist nicht immer das Subjekt des Satzes. Bei dem Beispiel "Die Frau wird bestohlen." ist "die Frau" gleichzeitig Subjekt des Satzes und Patiens. Zusammenfassend kann man sagen, dass jedem Argument nur eine Theta-Rolle und jeder Theta-Rolle lediglich einem Argument zugeordnet wird. Um dieses Sachverhalt dem Auditorium zu vermitteln, wurde wieder auf ein Beispiel zurückgegriffen.
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In diesem Beispielsatz gibt es 2 Subjekte (Lisa, Hans), die durch das finite Verb getrennt sind und zwei Mal den Agens (Lisa, Hans). Dass hier allerdings zwei Mal der Agens vergeben wurde, ist nicht korrekt. Lösungen für dieses Problem gibt es zwei. Entweder fasst man beide Satzglieder zu einem zusammen (Lisa und Hans) oder ein Subjekt wird weggelassen ("Lisa ist gelaufen.").
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Im zweiten Teil des Seminars gingen die Referentinnen auf die deskriptiven Regeln für die Kasuszuweisung ein. Als Ausgangspunkt konnte festgehalten werden, dass eine Nominalphrase ihre Kasuszuweisung immer von außen erhält. Dabei muss jede dieser Nominalphrasen ein Kasusmerkmal aufweisen, welches aber nicht allein anhand der Morphologie erkennbar ist. Am unauffälligsten ist der Nominativ, gefolgt vom Akkusativ, Dativ und Genitiv. Der Genitiv ist sichtlich am "s" erkennbar.
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Jedes Verb lässt sich in eine Kategorie einteilen, welche eine Auswirkung auf die Anzahl der Nominalphrasen aufweist. Einwertige Verben sind Verben in der das Argument im Nominativ steht (schlafen). Verben mit zwei Nominalphrasen werden als zweiwertige Verben (kaufen) bezeichnet, wobei das ranghöhere Argument im Nominativ steht und dadurch Subjekt ist; das rangniedrige steht im Akkusativ (Objekt). Dreiwertige Verben (geben) weisen ein ranghöheres Argument, welches im Nominativ steht und Subjekt ist, ein rangniedrigstes Argument, welches im Akkusativ steht und Objekt ist und ein mittleres Argument, welches im Dativ steht und ebenfalls Objekt ist, auf. Als Ausnahme gibt es Verben mit einem Null-Wert. Diese Verben sind aus semantischer Sicht nullwertig und aus syntaktischer Sicht einwertig (regnen).
Hier liegt keine handelnde Person vor, aber die Subjekt-Position muss besetzt werden. Diese Aufgabe übernimmt der Pseudo Aktant "es".
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Den Abschluss des Seminars bildete das mentale Lexikon. Dieses Lexikon ist die Art und Weise, wie das Gehirn Vokabular und die Bedeutung der einzelnen Wörter organisiert und strukturiert. In ihm werden Form, Aussprache und grammatisches Merkmal festgehalten und zusätzlich ein Theta-Raster angelegt. Zum besseren Verständnis wurde eine Übung angeboten.
Datum: 6. November 2008
Thema: Zur Valenz des Verbs
Referat: Maria Geipel / Christin Sohn
Protokoll II: Tanja Begemann
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Das Referat der Sitzung "Valenz, nichtakkusativische und passive Verben" befasste sich mit den Grundeigenschaften von Verben.
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Unter der Valenz oder auch der Wertigkeit ist die Eigenschaft eines Verbs bzw. eines Wortes zu verstehen, die eine oder mehrere Ergänzungsbestimmungen erfordert. Es entstehen semantische oder syntaktische Leerstellen, die von bestimmten Satzgliedern gefüllt werden müssen. Unter der semantischen Valenz versteht man demnach die notwendige Besetzung der vom Verb geforderten Leerstellen durch semantische Rollen, während unter der syntaktischen Valenz die Art und Weise beschrieben wird, wie diese Leerstellen morphologisch-syntaktisch realisiert werden.
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Alle vom Verb vorgegebenen Theta-Rollen (thematische Rollen) werden unter dem Begriff Valenzrahmen zusammengefasst.
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Im Verb bereits vorangelegte Phrasen werden als Argumente bezeichnet, nicht vorangelegte Adjunkte. Um diese beiden Satzglieder zu unterscheiden, wurden zwei Regeln vorgestellt. Ist eine Phrase nicht weglassbar, weil der Satz sonst grammatisch beziehungsweise semantisch unvollständig wäre, ist diese Phrase definitiv ein obligatorisches Argument. Kann man sie weglassen und der Satz ergibt trotzdem einen Sinn, ist die Phrase entweder ein Adjunkt oder ein fakultatives Argument. An einem Beispiel wurde der Unterschied dieser beiden Satzglieder verdeutlicht. Der Satz [Martha kocht eine Suppe] wäre auch ohne das Satzglied [eine Suppe] grammatisch und semantisch vollständig. Denn der Satz [Martha kocht] ist zwar eine Ellipse, erfordert aber keinerlei weitere Satzglieder, um grammatisch und semantisch vollständig zu sein. Also kann das Satzglied [eine Suppe] als fakultatives Argument bezeichnet werden. Ein Adjunkt wäre zum Beispiel die nähere Beschreibung des Vorgangs durch die grammatisch und semantisch völlig überflüssige Zeitangabe [gestern].
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In der Theta-Hierarchie wird die Ranghöhe des jeweiligen Arguments verdeutlicht. So hat das ranghöchste Argument, der Agens, die höchste Eigenaktivität und Belebtheit. Der Patiens nimmt die Gegenposition, die sogenannte Opferrolle ein. Dieses Argument ist durch völlige Passivität gekennzeichnet. Eine Mittelstellung zwischen zwei Extrempositionen übernehmen der Experiencer oder der Benefiezient. Sie sind zwar meistens belebt, verfügen aber über keine Eigenaktivität. An den beiden Beispielsätzen [Der Dieb hat die Frau bestohlen] und [Die Frau wird bestohlen] wurde erklärt, das ein Agens nicht immer auch das Subjekt eines Satzes sein muss. Nur weil im ersten Satz [der Dieb] zugleich Agens und Subjekt ist, trifft dies nicht im zweiten Satz auch zu. Denn dort ist nun [die Frau] das Subjekt, aber zugleich der Patiens, denn sie befindet sich immer noch in der "Opferrolle".
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Das Theta-Kriterium besagt, dass in einem Satz nur genauso viele Argumente wie Theta-Rollen existieren dürfen, da er sonst grammatisch oder semantisch unkorrekt wäre.
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Nominalphrasen bekommen immer einen Kasus zugewiesen und diesen immer von außen. Man kann dabei zwischen abstraktem (nicht morphologisch realisiert) und morphologischen Kasus unterscheiden.
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Bei der Kasusrektion von Verben unterscheidet man einwertige (z.B. schlafen), zweiwertige (z.B. kaufen), dreiwertige (z.B. geben) und nullwertige (z.B. regnen) Verben. Dabei sind immer die vom Verb geforderten Argumente bedeutsam. Beim nullwertigen Verb handelt es sich immer um unpersönliche Verben. Die fehlende Person wird dabei durch ein [Es] ersetzt [Es regnet heute].
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Die Art und Weise wie einzelne Wörter und deren Bedeutung im Gehirn abgespeichert werden, nennt man mentales Lexikon. Dabei werden Wörter organisiert nach ihrer Form (Lautsprache), ihrer Semantik (Bedeutung) und ihrem grammatischem Merkmal. Die Theta-Rollen eines Verbes werden als Theta-Raster abgespeichert.
Datum: 6. November 2008
Thema: Zur Valenz des Verbs
Referat: Maria Geipel / Christin Sohn
Protokoll III: Mandy Relius [Typografie aus technischen Gründen stark verändert; Schluss gekürzt]
Organisatorisches
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Protokolle: Alle Teilnehmer sollen mindestens ein Protokoll zu einer Sitzung verfassen; die Verteilung erfolgte durch Eintragen in eine Liste.
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Fachliteratur: Die Literaturangaben zu den einzelnen Themen stehen auf Prof. Dr. Gallmanns Homepage zur Verfügung. Die Details zu den Referaten sollten in der wöchentlichen Sprechstunde mit dem Dozenten geklärt werden.
Referat zum Thema: Valenz, nichtakkusativische und passive Verben (Maria Geipel, Christin Sohn)
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Valenz = Eigenschaft eines Wortes, eine oder mehrere Ergänzungsbestimmungen zu fordern. (Der Begriff lässt sich auch mit dt. Wertigkeit übersetzen.) Dabei unterscheidet man die semantische und die syntaktische Valenz. Semantische Valenz = die notwendige Besetzung von semantischen Rollen (auch als thematische Rolle/Theta-Rolle bezeichnet). Syntaktische Valenz = Art und Weise, wie die vom Verb geforderten Leerstellen morphologisch-syntaktisch realisiert werden sollen.
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Valenzrahmen (Theta-Raster) = Gesamtheit der von einem Verb vorgegebenen Theta-Rollen (auch als Argumentstruktur bezeichnet). Für Theta existieren zwei Varianten des griechischen Buchstabens: θ und ϑ. Innerhalb des Valenzrahmens befinden sich Argumente. Dabei handelt es sich um im Verb vorangelegte Phrasen. Hier unterscheidet man das obligatorische und das fakultative Argument. (i) Obligatorisches Argument = nicht weglassbar: Stuttgart liegt [am Neckar]. Fakultatives Argument = weglassbar: Martha kocht [eine Suppe]. Adjunkt = im Theta-Raster nicht vorangelegt: Martha kocht [eifrig] eine Suppe.
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Semantische Aspekte der Valenz: Die Theta-Hierarchie beschreibt die Rangfolge/Ranghöhe der Argumente. Das Argument mit der höchsten Aktivität bzw. Belebtheit ist das Agens und steht an höchster Stelle der Hierarchie. Es kontrolliert das Geschehen. Dem Agens folgen der Experiencer oder der Benefizient. Experiencer = wahrnehmende Person: [Ich] wundere mich über das Wetter. Benefizient = Nutznießer: Ich gebe [meiner Freundin] das Buch. Das Patiens zeichnet sich durch Passivität aus und wird vom Geschehen kontrolliert.
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Das Agens muss trotz seiner Ranghöhe nicht immer zwangsläufig das Subjekt darstellen: [Der Dieb] hat [die Frau] bestohlen. Hier: [Der Dieb] = Nominativ, Subjekt und Agens; [die Frau] = Akkusativobjekt und Patiens. – Aber: [Die Frau] wird bestohlen. Hier: [Die Frau] = Nominativ, Subjekt und Patiens. → Es existiert keine 1:1-Zuordnung von Theta und Kasus.
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Neben der Theta-Hierarchie existiert ein Theta-Kriterium. Dieses besagt, dass jedes Argument eine Theta-Rolle besitzt und jeder Theta-Rolle genau ein Argument zugeordnet wird. Beispiel: [Lisa] ist [Hans] gelaufen. (1-wertiges Verb). Hier: [Lisa] = Nominativ, 1. Subjekt, 1. Agens; [Hans] = Nominativ, 2. Subjekt, 2. Agens: widerspricht dem Theta-Kriterium.
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Deskriptive Regeln der Kasuszuweisung: Jede Nominalphrase (NP) muss genau ein Kasusmerkmal aufweisen. Dabei besteht folgende Kasus-Hierarchie: Nominativ (am unauffälligsten) >Akk. > Dativ > Genitiv (am auffälligsten).
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Kasusrektion bei Verben in Abhängigkeit der vom Verb geforderten Argumente:
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einwertiges Verb: [Ich] schlafe.
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zweiwertiges Verb: [Ich] kaufe [Brot].
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dreiwertiges Verb: [Ich] gebe [dir] [etwas].
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nullwertige Verben = aus semantischer Sicht nullwertig, aus syntaktischer Sicht einwertig: [Es] regnet.
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Lexikoneinträge: Unter dem mentalen Lexikon versteht man die Art und Weise, wie das Gehirn das Vokabular und die Bedeutung der einzelnen Wörter organisiert und strukturiert. Dies kann nach Form, Semantik und grammatischen Merkmalen geschehen. Die Theta-Rollen eines Verbs werden als Theta-Raster bezeichnet. Diese sind teilweise lexemspezifisch.
Datum: 20. November 2008
Thema: Akkusativ mit Infinitiv (AcI) und Nominativ mit Infinitiv (NcI)
Referat: Sindy Geißler / Patricia Harke
Protokoll I: Marlen Großmann
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Zu Beginn wiederholten die Referentinnen Grundlagen der Grammatik, die für die Präsentation Ihres Referatsthemas wesentlich sind. So erinnerten Sie daran, dass Sätze hierarchische Strukturen aufweisen und sich in Konstituenten zerlegen lassen. Um die Zusammengehörigkeit dieser Bestandteile nachzuweisen, bietet sich unter anderem die Umstellprobe an, bei der angenommene Konstituenten als Ganzes innerhalb des Satzes verschoben werden, wobei der Satzsinn erhalten bleibt. Es folgte die Vorstellung des X-Bar-Schemas, das drei Prinzipien aufweist:
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Das Kopfprinzip besagt, dass jede Phrase nur einen Kopf hat und dass dieser die morphologischen Merkmale der Phrase bestimmt.
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Das Ebenenprinzip geht davon aus, dass Phrasen immer aus drei Ebenen bestehen; erstens, der oberste Knoten XP (z.B. NP, VP), welcher die maximale Projektion und die oberste Ebene markiert; zweitens, die Zwischenebene X' (z.B. V', N'); drittens, der terminale Knoten (z. B. V°, N°), der den Kopf der Phrase beschreibt.
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Das Binaritätsprinzip regelt die binäre Verzweigung von Phrasenstrukturen.
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Ausgehend von diesen Prinzipien und der vorangestellten Grundlagenwiederholung fassten die Referentinnen zusammen, dass sich ein Satz in die Konstituenten NP (Subjekt) und VP (Prädikation) zerlegen ließe. Jedoch verstößt diese Annahme gegen das X-Bar-Schema, da kein Kopf bestimmbar ist. Um das Problem zu lösen, wurden zwei Arten von Sätzen vorgestellt, einerseits Sätze mit finitem Verb, andererseits mit infinitem Verb. Folglich kann behauptet werden, dass Sätze mit infinitem Verb kein Subjekt haben, da nur ein finites Verb ein Subjekt realisieren kann. Der Imperativ bildet hierbei eine Ausnahme. Demnach stellen die Flexionsmerkmale des Verbs die Kategorie I (inflection) dar, welche I° zum Kopf des Satzes macht. Diese Annahme stimmt mit dem X-Bar-Schema überein und definiert den Satz folglich als maximale Projektion von Merkmalen (IP).
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Der nächste Punkt galt den Kopfbewegungen von Verberst- und letztsätzen, wobei angenommen wird, dass sich das Verb von V° (Verbwurzel) zu I° (verbale Flexionsmerkmale wie Tempus, Numerus etc.) bewegen kann und dabei eine Spur (t = trace) an seiner Ursprungsposition hinterlässt. So findet sich die flektierte Verbform in der Position I°.
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Danach wurde Rektion als das Abhängigkeitsverhältnis von Kopf und Argumenten vorgestellt, wobei das Verb als Kopf seinen NP-Komplementen bestimmte Kasus zuweist. In Strukturbäumen können damit bestimmte Verhältnisse von Schwesterknoten, d.h. Elementen auf gleichen Ebenen, beschrieben werden. Dies wurde als C-Kommando-Relation definiert. In der Phrase den Bürgermeister begrüßen weist das Verb dem Komplement Bürgermeister den Akkusativ zu. Wenn Köpfe im Strukturbaum allerdings höher hängen, so spricht man von der M-Kommando-Relation. Dabei wird der Kasus (Nominativ) von I° an das Nomen in der Spezifikatorposition (SpecIP) zugewiesen. Das Subjekt ist damit ranghöchstes Argument und steht außerhalb der VP; demzufolge ist es ein externes Argument. Das Subjekt wird folglich erst in der SpecIP realisiert und erhält dort den Kasus Nominativ von I°. Hierbei wurde auch angemerkt, dass Subjekte ihre Theta-Rolle an der SpecVP-Position von V° erhalten.
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Anschließend wurden drei Satzmodi vorgestellt. Beim Verberstsatz wird die finite Verbform in die linke Satzklammer zu C° (Complementizer, Satzeinleitung) verschoben. Beim Verbzweitsatz wird eine Konstituente vor die finite Verbform aus dem Mittel- in das Vorfeld bewegt. Jedoch ist diese kein Kopf sondern maximale Projektion SpecCP, die aus der IP verschoben wurde und eine Spur t zur SpecIP hinterlässt. Das finite Verb im Verbletztsatz kann zu I° verschoben werden, muss diese Bewegung aber nicht vollziehen (verdeckte Verschiebung). Auch hierbei ist das Subjekt aus der Verbphrase zur IP bewegt worden und erhält an der Zielposition erst den Kasus Nominativ durch I°.
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Im Folgenden wurde der AcI (accusativus cum infinitivo) eingeführt als eine Infinitivkonstruktion, die nach Verben der Wahrnehmung, lassen und haben steht. Hierbei wurde der Objektsatz in Ich sehe, dass der Junge den Garten umgräbt zu einer AcI-Konstruktion umgeformt, wobei der Junge nun den Akkusativ (statt des Nominativs im Objektsatz) und das finite Verb infinit, also zu umgraben, wird: Ich sehe den Jungen den Garten umgraben. Die Theta-Rolle wird in beiden Fällen vom Verb umgraben vergeben. Die Kasusvergabe hingegen erfolgt durch das übergeordnete Verb sehen, da ein infinites Verb keinen Kasus vergeben kann. I° bleibt dabei leer. Des Weiteren ist festzustellen, dass das Wahrnehmungsverb sehen sich eine IP, also den Jungen den Garten umgraben, als Objekt nimmt. Somit wird der gesamte Vorgang des Gartenumgrabens durch den Jungen als Objekt der Wahrnehmung verstanden.
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Der NcI wurde als Umkehrung des AcI ins Passiv eingeführt und Beispiele aus dem Englischen sowie Lateinischen verdeutlichten die Funktionsweise dieser Konstruktion. Beim "lateinischen" NcI wird die persönliche Passivform durch den Infinitiv ersetzt, wobei der Objektakkusativ der Aktivkonstruktion zum Subjekt der Passivkonstruktion wird. Somit ist das Subjekt des übergeordneten Passivverbs gleichzeitig das Subjekt der NcI-Konstruktion. Im Deutschen wird die Agensrolle heruntergestuft oder gestrichen. Ein Verb vergibt den Akkusativ an ein Objekt, wenn es auch die Theta-Rolle Agens an seinen Spezifikator (Subjekt) vergeben kann. Voraussetzung für die Bildung des Passivs ist, dass das Verb im Aktiv als ranghöchstes Argument (Subjekt) eine NP mit der Theta-Rolle Agens aufweist. Als Beispiel hierfür sei das Verb finden angeführt; bekommen hingegen ist nicht passivfähig, da es nicht Agens sondern Possessor als Theta-Rolle vergibt. In der Passivkonstruktion fehlt der Agens entweder ganz oder erscheint dann als Adjunkt der VP in einer Präpositionalphrase mit durch oder von; dieser Vorgang wird als Theta-Absorption bezeichnet. Im Passiv verliert das Verb die Fähigkeit, den strukturellen Kasus Akkusativ einem Objekt zuzuweisen, was als Kasusabsorption bezeichnet wird. Anschließend wurden zwei mögliche Erklärungen für diese Vorgänge angegeben. Erstens könne sich das kasuslose Objekt zur unbesetzten Subjektposition bewegen und dort den Nominativ erhalten. Zweitens verkette sich das Objekt mit der leeren Subjektposition ohne eine sichtbare Bewegung, was als verdeckte Verkettung bezeichnet wird. Das Subjekt sei damit indefinit und die leere Subjektposition werde mit e gekennzeichnet. Prof. Dr. Gallmann merkte hierbei an, dass der Zwischenschritt dieser Verkettung zwar schwer nachzuweisen sei, aber doch der üblichen Annahme in der Wissenschaft entspreche. Als die Referentin anführte, dass es im Deutschen keine Passive zu AcI-Konstruktionen gebe, zeigte sich doch bei einer Umfrage im Seminar, dass einige Teilnehmer doch die Passivkonstruktion als ihnen geläufig befanden. Beispielsatz hierfür war im Aktiv Als sie den Jungen schreien hörten […] im Gegensatz zum Passiv Als der Junge schreien gehört wurde […]. Prof. Dr. Gallmann schloss angesichts der im Seminar doch akzeptierten Passivkonstruktion auf die generelle Ausweitung des Passivgebrauchs im Deutschen und führte Beispiele aus dem Zeitungsdeutsch an.
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Die Erstellung zweier Baumstrukturen von Beispielsätzen und damit die Anwendung des NcI bildeten den letzten Teil der Sitzung. Die Referenten wiesen schließlich darauf hin, dass Ihre PowerPoint-Präsentation auch im Laufe der Woche auf der website zu finden sein wird.
Datum: 20. November 2008
Thema: Akkusativ mit Infinitiv (AcI) und Nominativ mit Infinitiv (NcI)
Referat: Sindy Geißler / Patricia Harke
Protokoll II: Qingqing Rao
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Anfang der Sitzung wurde die grundlegende Grammatik zum Thema "Akkusativ mit Infinitiv (AcI) und Nominativ mit Infinitiv (NcI)" wiederholt.
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Sätze weisen hierarchische Strukturen auf und bestehen aus Phrasen/Konstituenten, deren Zusammengehörigkeit durch Umstellprobe geprüft werden können.
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Drei Grundprinzipien des X-Bar-Schemas sind:
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Kopfprinzip: Jede Phrase hat einen Kopf;
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Ebenenprinzip: Phrasen haben min. 3 Ebenen;
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Binaritätsprinzip: Phrasenstrukturen verzweigen binär.
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Man kann Sätze mit X-Bar-Theorie erklären, indem man die Sätze in zwei Arten unterscheidet: Sätze mit finitem Verb und Sätze mit infinitem Verb. Wenn die Flexionsmerkmale des Verbs eine eigene Kategorie (INFLECTION = INFL = I) darstellen, ist dieses Verb der Kopf des Satzes. Daher ist ein Satz die maximale Projektion von Merkmalen = IP.
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Es gibt zwei Möglichkeiten von Kopfbewegungen der Sätze, entweder kann das Verb sich von V° (Verbwurzel) zu I° (verbale Flexionsmerkmale) bewegen und dabei eine Spur (t = trace) an seiner Ursprungsposition hinterlassen, oder V° und I° können verkettet werden. Zwischen dem Kopf eines Satzes und seinen Argumenten besteht ein Abhängigkeitsverhätnis, dass Verben ihren NP-Komplementen bestimmte Kasus zuweisen. Unter c-Command ist eine Kasuszuweisung vom Verbkopf an seine Komplemente (Elemente auf gleichen Ebenen im Sturkturbaum) möglich, während unter m-Command Köpfe im Strukturbaum höher hängen.
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Der Satzmodus bei Verberst-, Verbzweit- und Verbletztsatz wird durch das IP-CP-Modell erklärt.
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Auf Grund der vorangestellten Informationen wurde anschließend die AcI-Konstruktion erklärt.
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Wenn bei den transitiven Wahrnehmungsverben die Wahrnehmung nicht nur die Person oder die Sache allein betrifft, sondern den Sachverhalt oder die Handlung, in die diese involviert sind, kann ein Nebensatz mit finitem Verb (Bsp. Ich höre, dass der Junge singt.) oder eine weitere satzähnliche Infinitivkonstruktion (Bsp. Ich höre den Jungen singen.) auftreten. Die Besonderheit der Infinitivkonstruktion liegt darin, dass diejenige Phrase, die in der finiten Konstruktion im Nom. (der Junge) steht, in der infinitiven Konstruktion den Akk. (den Jungen) aufweist. Man kann das damit erklären, dass diese Phrase (den Jungen) zwar ihre Theta-Rolle vom Verb (singen) erhält, den Kasus aber vom Wahrnehmungsverb (höre). Das Wahrnehmungsverb (höre) nimmt eine IP (den Jungen singen) als Objekt. Die IP als Ganzes trägt die Objekt-Theta-Rolle des Wahrnehmungsverbs, also so etwas wie "Vorgang". Man spricht hier von einer AcI-Konstruktion (= accusativus cum infinitivo, Akkusativ mit Infinitiv).
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Solche Konstruktion kann im Deutschen nicht nur bei transitiven Wahrnehmungsverben, sondern auch bei Verben wie lassen (in den Bedeutungen veranlassen, bewirken und zulassen) oder haben (wenn mit einem reinen Infinitiv verbunden) auftreten.
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Danach wurde die NcI-Konstruktion (= nominativus cum infinitivo, Nominativ mit Infinitiv) als Passivvarianten zur AcI-Konstruktion eingeführt. Das kann man im Englischen deutlich vorstellen, z.B.:
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I expect him to go. (Aktiv)
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He is expected to go. (Passiv)
Wie in allen Passivkonstruktionen wird auch in diesem Beipiel die Agensrolle des Passivverbs heruntergestuft oder ganz gestrichen (Theta-Absorption), außerdem verliert das Passivverb die Fähigkeit der Akkusativvergabe (Kasus-Absorption).
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Im Strukturbaum bewegt sich das kasuslose Objekt zur unbesetzten Subjektposition und erhält dort den Nominativ. Da die infinitive IP keine Barriere bildet, das heißt nach oben offen ist, kann deren Subjekt mit der Subjektposition der übergeordneten IP verkettet werden. Dies kann sich entweder in offener Bewegung oder in verdeckter Verkettung manifestieren.
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Deutsch kennt merkwürdigerweise keine Passive zur AcI-Konstruktion. Es gibt aber entsprechende nichtakkusativische Verben. Am häufigsten ist scheinen, daneben können auch drohen und versprechen (in nichtwörtlicher Bedeutung) so gebraucht werden.
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Die Sitzung wurde beendet mit ein paar Übungen zur NcI-Konstruktion.
Datum: 20. November 2008
Thema: Akkusativ mit Infinitiv (AcI) und Nominativ mit Infinitiv (NcI)
Referat: Sindy Geißler / Patricia Harke
Protokoll III: Stefan Harm
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Das Referat der Sitzung "AcI und NcI" befasste sich mit der Objektbildung bei Verben.
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Als Einführung in das Thema griffen die Referenten auf die Grundlagen der vorherigen Sitzung zurück. Hierbei galt es das X-Bar-Schema, das aus dem Kopf-, Ebenen- und Binäritätsprinzip besteht, in das IP-CP-Modell einzufügen.
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In diesem Modell wird die Kasusrektion des Verbs deutlich.
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Die AcI-Konstruktion bedeutet Akkusativ mit Infinitiv. Dies vollzieht sich allerdings nur bei Verben der Wahrnehmung, wie sehen oder hören, bei dem Verb lassen und bei dem Verb haben. (Bsp. Ich sehe den Jungen den Garten umgraben.) In einem Satz kann jedoch kein infinites Verb den Kasus vorgeben und so erhält den Jungen den Akkusativ von sehe. Anders gestaltet sich dies bei der Konstruktion: Ich sehe, dass der Junge den Garten umgräbt. In diesem Fall bestimmt das finite Verb umgräbt den Kasus des Subjekts der Junge (Nominativ).
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In einer NcI-Konstruktion hingegen wird die AcI ins Passiv umgekehrt. Dies funktioniert jedoch nicht im Deutschen. (Aktiv: Als sie [IP den Jungen schreien] hörten… – Passiv: *Als der Junge [IP t schreien] gehört wurde…). Nur bei nichtakkusativen Verben kann dieser Fall festgestellt werden. Bei dem Verb scheinen funktioniert die Umstellung, wie das folgende Beispiel aufzeigt: …weil [IP e [IP Susi zu schreiben] scheint]. …weil [IP Susi [IP t zu schreiben] scheint].
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In einem Ausblick auf die nächste Sitzung wird auf die Kompliziertheit der Konstruktion Infinitiv+zu hingewiesen.
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Die von den Referenten erarbeitete Powerpointpräsentation wird auf die Internetseite von Herrn Gallmann hochgeladen.
Datum: 27. November 2008
Thema: Kontrollkonstruktionen, Bindungstheorie und PRO
Referat: Katharina Oelze, Uta Perner, Marlen Großmann, Beatrice Kleiber, Josephine Ernst, Anna Wagner
Protokoll: Maria Geipel, Christin Sohn
Die Kategorie PRO
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PRO ist eine phonologisch nicht realisierte Kategorie in satzwertigen Infintivphrasen, welche die Position des logischen Subjekts besetzt. Entweder bezieht es sich auf eine Bezugsphrase, die im übergeordneten Satz steht, oder aber es besitzt eine verallgemeinernde Bedeutung in der Art des Indefinitpronomens "man".
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Die Existenz von PRO wird zum einen durch das Erweiterte Projektionsprinzip und zum anderen durch das Theta-Kriterium gerechtfertigt. An dem Satz "Timi beschließt, PROi Tina zu besuchen" lässt sich die Notwendigkeit des PRO folgendermaßen erklären: "Beschließen" ist ein zwei-wertiges Verb und verlangt neben einem Agens, welcher durch Tim verkörpert wird, ein weiteres Argument, welches die gesamte Infinitivkonstruktion darstellt. "Besuchen" ist ebenfalls ein zwei-wertiges Verb und fordert sowohl ein Agens, als auch ein Patiens. Tina kann laut Theta-Kriterium lediglich eine semantische Rolle, in diesem Fall das Patiens mit dem Kasus Akkusativ, übernehmen. Das "Erweiterte Projektionsprinzip" (= EPP) besagt jedoch, dass in jedem Satz ein Subjekt vorhanden sein muss. Um dieses Kriterium erfüllen zu können, wird die Existenz eines logischen, aber unsichtbaren Subjekts angenommen. Wenn PRO allerdings fehlen würde, dann müssten das Theta-Kriterium und auch das EPP so weit gelockert werden, dass in Sonderfällen auch die Sätze, bei denen ein Satzglied zwei semantische Rollen in sich trägt bzw. die Subjektposition unbesetzt bleibt, als mögliche Strukturen des Sprachsystems anerkannt werden. Dieser Theorieansatz ist zwar in der Forschungsliteratur zu finden, die Satzanalyse mit Hilfe der Kategorie PRO hat sich aber durchgesetzt. Diese Präferenz wird gerechtfertigt, da bestimmte grammatikalische Phänomene, wie zum Beispiel die Kasusvergabe bei Prädikativen in Verbindung mit dem Verb sein, durch die Annahme von PRO besser erklärt werden können. Prädikative Satzglieder zeichnen sich durch Kasuskongruenz zu ihrer Bezugsphrase aus. Soll der Satz "Tim empfiehlt Otto, dass er ein braver Junge ist/sein soll." mit Hilfe einer Infinitivkonstruktion formuliert werden, so ergibt sich ohne das Vorhandensein von PRO der ungrammatische Satz: "Tim empfiehlt Otto, einem braven Junge zu sein." Da das Satzglied [Otto] im Dativ steht und dieser Kasus per Kongruenz an die dazugehörige NP vergeben wird, muss [ein guter Junge] ebenfalls im Dativ stehen. Wird nun die Kategorie PRO als logisches Subjekt der Infinitivphrase hinzugedacht, entsteht der grammatikalisch korrekte Satz: "Tim empfiehlt Otto, PRO ein braver Junge zu sein.". Folglich kann in diesem Beispiel die Vergabe des prädikativen Nominativs nur durch die Einbeziehung von PRO erklärt werden.
Die Kontrollkonstruktionen
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Kontrollverben benötigen eine satzwertige Infintivphrase, welche die syntaktische Funktion des Objekts übernimmt. In der deutschen Sprache liegt eine große Anzahl dieser Verben vor. So gehören unter anderem Verben, welche das Beginnen oder Enden eines Sachverhalts beschreiben (z.B. anfangen oder fortfahren), in diese Kategorie. Weiterhin werden Verben, die sich auf eine mögliche oder gewünschte Situation beziehen (z.B. drohen oder entscheiden), zu den Kontrollverben gezählt. Die Begriffsbezeichnung ergibt sich aus der Eigenschaft, die Interpretation des Infinitivsubjekts zu kontrollieren. Sie legen somit fest, auf welchen Antezedenten des Hauptsatzes das PRO referiert, wobei sich die Lesart des PRO aus der Bedeutung des übergeordneten und untergeordneten Verbs ergibt. Wenn PRO als referentiell abhängig von einer anderen NP im selben Satz interpretiert wird, sagt man, dass es von dieser NP kontrolliert wird. Sofern das Objekt eines Kontrollverbs als PRO in der Infinitvkonstruktion verstanden wird, dann spricht man von Objektkontrolle. Dieser Fall liegt bei dem Satz "Maria bittet ihren Manni, PROi die Suppe zu kochen." vor, da das Objekt "Mann" und das PRO aufeinander referieren. Sobald allerdings das PRO vom Subjekt des übergeordneten Satzes kontrolliert wird, bezeichnet man es als Subjektkontrolle.
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Verben wie zum Beispiel "versprechen" oder "bitten" können sowohl ein Subjekt-, als auch ein Objektkontrollverb sein. Dieser Wechsel in der Lesart wird Kontrollwechsel genannt und kommt häufig in Verbindung mit Modalverben vor. Aus diesem Grund werden zwei Arten der Kontrolle unterschieden. Die so genannte optionale Kontrolle liegt bei Verben vor, die fähig sind, einen Kontrollwechsel zu vollziehen bzw. ein arbiträres PRO dulden. Bei der obligatorischen Kontrolle ist hingegen nur eine Lesart möglich. "Empfehlen" agiert beispielsweise immer als Objektkontrollverb, wohingegen bei "beabsichtigen" das PRO immer vom Subjekt kontrolliert wird. Der Kontrollierer muss hierbei das PRO c-kommandieren.
Die Bindungstheorie
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Mit Hilfe der Bindungstheorie werden die referentiellen Eigenschaften der DPs bestimmt, wobei Determinatorphrase als Synonym für Nominalphrase verstanden werden kann. Sie enthält drei Prinzipien, mit welchen die Verteilung und Interpretation der verschiedenen DP-Kategorien bestimmt werden können.
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Das Prinzip A dient der Ausdeutung von reflexiven und reziproken Pronomina, welche in der generativen Grammatik auch als "Anapher" zusammengefasst werden. Reflexivpronomina können nicht isoliert im Satz stehen, sondern müssen an einen Antezedenten gebunden sein und mit ihm in Person, Numerus und Genus übereinstimmen. Die Kongruenz hinsichtlich des Genus und Numerus ist im Deutschen allerdings nicht erkennbar, wohingegen im Englischen eine klare Unterscheidung möglich ist. Erschwerend kommt hinzu, dass im Deutschen die Personal- und Reflexivpronomen zum Teil formengleich sind. Der Satz "Ralfi bestraft michj" wäre folglich nur grammatikalisch korrekt, wenn "mich" nicht als Reflexivum, sondern als Personalpronomen verstanden wird. Da [mich] die erste Person Singular und Ralf die dritte Person Singular repräsentiert, kann [mich] nicht auf [Ralf] koreferieren. Bei dem Satz "Ralfi bestraft sichi." wäre jedoch Koreferenz gewährleistet, weil eine Überstimmung in Person, Numerus und Genus vorliegt. Mit Hilfe des Indexes wird die Referenz gekennzeichnet. Wenn zwei Ausdrücke mit dem gleichen Index versehen sind, so heißen diese koindiziert und sind demzufolge koreferent.
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Die Lokalitätsbedingung besagt, dass Reflexiva nicht zu weit von ihrem Antezedenten entfernt stehen dürfen, um mit ihm koreferieren zu können. Das Reflexivpronomen muss sich folglich in einer bestimmten lokalen Domäne befinden. Daraus ergibt sich die Regel, dass Antezedens und Reflexivpronomen in demselben Satz stehen müssen, wobei das Antezedenz dem Reflexivum immer vorausgehen muss. Da das Antezedenz nicht zu tief eingebettet sein darf, wird außerdem festgelegt, dass es das Reflexivum c-kommandieren muss. Die bisherigen Ergebnisse erlauben folgende Definition des Bindungsbegriffs: α bindet β genau dann, wenn α β c-kommandiert und β sowie α koindiziert sind. Einfacher ausgedrückt: Bindung heißt c-Kommandierung und Koindizierung.
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Der Satz "Dobbyi hört sichi singen" müsste unter Einbeziehung der bisherigen Erkenntnisse ungrammatisch sein, da Antezedens und Reflexivum in unterschiedlichen Teilsätzen stehen. Doch der Kasus von [sich] wird nicht von dem untergeordneten (singen), sondern von dem übergeordneten Verb (hört) regiert, sodass eine Ausweitung der Bindungsdomäne zu verzeichnen ist. Daraus kann folgende Regel abgeleitet werden: Ein Reflexivpronomen muss in dem Satz, der sowohl das Reflexivum selbst als auch sein Regens enthält, gebunden sein. Allerdings können nicht nur Sätze, sondern auch DPs als Bindungsdomäne dienen, sofern deren "Subjektposition" (SpecDP) besetzt ist (= Genitivattribut). Falls SpecDP allerdings leer ist, stellt der nächsthöhere Satz die Bindungsdomäne für das Reflexivum dar. Um die Bindungsdomäne eines reflexiven Ausdrucks allgemein zu kennzeichnen, hat Chomsky den Begriff des vollständigen funktionalen Komplexes (CFC) eingeführt. Dieser besagt, dass im Normalfall die nächste IP für einen gebundenen Ausdruck die Bindungsdomäne darstellt. Sobald der Ausdruck allerdings das Subjekt einer Infinitivkonstruktion ist, fungiert die übergeordnete IP als Bindungsdomäne. NPs bilden genau dann die Bindungsdomäne für einen Ausdruck, wenn dieser das Genitivattribut der NP ist. Das Relexivum muss demnach im kleinsten CFC, die das Reflexivpronomen, sein Regens und ein Subjekt enthält, gebunden sein. Um die Bindungsdomäne eines Refexivpronomens bestimmen zu können, muss zum einen der Regent des Reflexivums und zum anderen das nächstliegende Subjekt ermittelt werden. Die kleinste IP oder DP, die beide Elemente enthält, stellt dann die Bindungsdomäne dar. Der lokale Bereich wird also solange vergrößert, bis alle Anforderungen erfüllt werden.
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Reziproke Pronomina erhalten ihre Interpretation ebenfalls auf Grund ihrer Bindung an einen Antezedenten. Da sie referentiell abhängig sind, gelten für sie die gleichen Interpretationsbeschränkungen wie für Reflexivpronomina. Allerdings können sie im Gegensatz zu den Reflexiva nur im Plural vorkommen und müssen demzufolge auf einen Antezedenten im Plural koreferieren. Als zusammenfassende Regel des Prinzips A kann festgehalten werden, dass Anaphern in ihrer Rektionskategorie gebunden sein müssen.
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Das Prinzip B behandelt die Interpretation von Pronomina. Die Bindungsbestimmungen für Pronomina sind genau das Gegenteil der Regeln für Reflexiva. Pronomina müssen demzufolge in ihrer Rektionskategorie frei sein. Koreferenz zu einer anderen DP darf nur bestehen, wenn sie sich außerhalb der minimalen Rektionsdomäne befindet. Das bedeutet, dass Pronomina optional gebunden, aber auch vollständig frei sein können.
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Das Prinzip C sagt aus, dass R-Ausdrücke (= alle übrigen NPs) überall frei sein müssen. Sie benötigen daher keinen Antezedenten und dürfen nicht mit einer anderen DP gebunden sein. Selbstverständlich können sie selbst als Antezedens dienen und ein Koreferenzverhältnis bewirken, indem sie entsprechend der zwei vorhergehenden Prinzipien Anaphern oder Personalpronomina entweder c-kommandieren und an sich binden oder nicht.
Datum: 04. Dezember 2008
Thema: Kontrollkonstruktionen, Bindungstheorie und PRO (Teil II)
Referat: Marlen Großmann, Beatrice Kleiber; Josephine Ernst, Anna Wagner
Protokoll I: Patricia Harke
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Zu Beginn der Sitzung wurde das Protokoll zu den Referaten "Kontrollkonstruktionen" und "Bindungstheorie und PRO" vom 27.11.08 vorgelesen.
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Anschließend setzte die Referentin mit dem zuletzt genannten Referat fort. Durch eine kleine Übung sollte der bisher behandelte Lernstoff wiederholt werden. Es wurde noch einmal festgehalten, dass PRO zwei Lesarten hat: zum einen als Antezedent (Subjekt oder Objekt), zum anderen ist es arbiträr ("man"). Anschließend wiederholte man, dass die Bindungstheorie sich als Ergebnis von Koindizierung und c-Command definiert. Im Anschluss daran wurde der Unterschied zwischen freier und Fernbindung erläutert. Letztere kann nur innerhalb des Satzes, also nur im c-Command auftreten. Freie Bindung bezieht sich auf die R-Ausdrücke [Er sagt, dass Tim ein Langweiler ist.], Anaphern müssen gebunden werden [Sandra glaubt, dass Tim sich mag.] und Pronomen müssen frei sein, Fernbindung wäre aber erlaubt, z.B. [Tim sagt, dass er ein Langweiler ist.]. Das Personalprobnomen "er" kann sich sowohl auf Tim als auch auf eine andere Person beziehen.
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Um die Bindungstheorie und PRO in einem Zusammenhang zu bringen, wurde erwähnt, dass PRO die Eigenschaften [+anaphorisch +pronom] hat. Das Prinzip A besagt, dass das Pronomen gebunden sein muss, d.h. [+anaph –pronom]. Prinzip B hat aber die Eigenschaften [–anaph +pronom]. Da PRO also sowohl pronominale als auch anaphorische Eigenschaften aufweist, kommt es in Bezug auf die Prinzipien der Bindungstheorie zu einem Widerspruch. Chomsky löst dieses Problem, indem er sagt, dass PRO in seiner Kategorie unregiert sein muss. Es besitzt folglich keine Bindungsdomäne. Diese Theorie nennt man PRO-Theorem. Anhand der Beispielsätze [Tim überlegt, [PRO] Sandra zu besuchen.] und *[Tim überlegt, ob [PRO] Sandra zu besuchen.] wurde das Phänomen noch einmal ersichtlich. Der zweite Satz ist ungrammatisch, da "ob" das Subjekt des Infinitivsatzes regiert. Außerdem verlangt "ob" eine finite Verbform. Es tritt hier auch als störendes Regens auf. Das darf laut der Theorie Chomskys aber nicht sein. Herr Gallmann gab zudem zwei widerlegende Beispiele an: [ohne [PRO] das Buch zu lesen] und [bis (dass) der Tod euch scheide]. "Ohne" bzw. "bis" treten hier als Präpositionen auf. Die Stelle C beliebt leer.
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Das zweite Referat beschäftigte sich mit dem "Minimalistischen Programm von Chomsky". Zunächst erläuterte die Referentin die Theorie des Gehirns. Bevor es zu einer sprachlichen Äußerung kommen kann, laufen zuvor eine Reihe unbewusster mentaler Prozesse ab, deren Gesamtheit Derivation genannt wird. Der erste Schritt bei der Entstehung einer sprachlichen Äußerung wird Numeration genannt. Dabei wird dem mentalen Lexikon eine ungeordnete Anzahl von Lexemen (X-Bar-Komponente) entnommen, aus denen ein Satz konstruiert werden soll. Diese kommen in einem syntaktischen Generator, in welchem sie geordnet werden. Dazu wählt die mentale Operation select jeweils zwei Elemente aus und verknüpft sie mittels der Operation merge zu einem Objekt höherer Ordnung. Die beiden Operationen laufen so lange ab, bis aus allen zuvor aus dem Lexikon gewählten, ungeordneten Elementen eine kohärente sprachliche Form entstanden ist. Dann kommt es zu move, d.h. dass man bestimmte Elemente innerhalb der sprachlichen Struktur verändern kann. Schließlich findet Spell out (S-Struktur) statt, d.h. die Artikulation der sprachlichen Äußerung. Spell out teilt sich in zwei Komponenten: zum einen gibt es die semantische Komponente, also die Bedeutung der sprachlichen Äußerung und zum anderen die phonologische Komponente, die den physikalisch messbaren Aspekten der Äußerung entspricht. Nach diesen kommt es zur Sprachverarbeitung. Die Grundoperationen sind select, merge und move. Man kann demzufolge herausstellen, dass die sprachliche Äußerung mental auf zwei Ebenen verarbeitet wird, zum einen als auditiv wahrgenommenes physikalisches Signal und zum anderen als bedeutungsvolles mentales Konstrukt. Durch bestimmte Ökonomieprinzipien soll das Full Interpretation Principle gewährleistet werden. Darüber hinaus sollte es so wenig wie möglich an Derivationsschritten geben. Diese Theorie stellt ein modulares Modell des menschlichen Geistes dar.
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Im Anschluss an die theoretische Erklärung folgte ein Beispiel: [weil er seinen Schulleiter bewundert hat]. Dieser Nebensatz wird in sieben Schritte zerlegt. Zunächst kommt es zur Numeration, bei der jedes Wort eine eins bekommt. Im ersten Schritt nimmt man sich "seinen" heraus. Das Demonstrativpronomen steht im Akkusativ. Hierzu sucht man sich ein Nomen im selben Kasus. "Schulleiter" steht im Akkusativ und wird somit auf Null gesetzt (Schritt 2). Im dritten Schritt kommt es zu merge. Die Merkmale des Kopfes übertragen sich auf die Phrase. Als nächstes wird "bewundert" ebenfalls auf Null gesetzt (Schritt 4). Das Verb braucht allerdings ein Subjekt im Nominativ. "Hat" dient hier als Hilfsverb und wird von I dominiert. Es nimmt die VP mit [+Part] zum Kopfelement (Schritt 5). I sucht nun nach einem Wort, an dem es den Nominativ vergeben kann. In diesem Beispiel ist es das Personalpronomen "er" (Schritt 6). Jetzt fehlt nur noch die Konjunktion "weil", die im siebten Schritt auf Null gesetzt wird. "Weil" [+finit] nimmt die finite IP zum Komplement. Das Resultat ist ein Satz, der nun in einer Baumstruktur mit IP dargestellt wird.
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Mit Hilfe von zwei Beispielen aus dem Englischen wurde festgehalten, dass das Subjekt stellungsgebunden ist: [Someone is knocking at the door.] und [There ist someone knocking at the door.].
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Zuletzt wurde die Beziehung zwischen dem Minimalismus und PRO erklärt. Die Split-INFL-Hypothese besagt, dass I in verschiedene funktionale Köpfe geteilt ist. C-selection meint die syntaktischen Rollen, die das Verb auswählt. S-selection bezieht sich auf die semantische Valenz. An dem Beispiel [Klaus kennt Peter.] wurde das noch einmal verdeutlicht. Bei der c-selection ist "Klaus" eine NP und "Peter" eine NP, bei der s-selection gibt es einen Agens "Klaus" und einen Patiens "Peter" (Theta-Rolle). Die Kasuszuweisung verläuft nicht mehr über Rektion, sondern über so genannte X-Bar-Strukturen. Es gibt außerdem besondere Kasuspositionen im Satz (Spec-Kopf-Position). PRO hat den Null-Kasus und steht deswegen in einer Kasusposition. Der Null-Kasus wird von einem nichtfiniten I, das mit [+tempus] spezifiziert ist, an der Position [SpecIP] überprüft. In der Baumstruktur gibt es keine IP mehr. Die Objekte müssen auch immer zu der Kasusstelle wandern. Es gibt also mehrere Bewegungen, auf die zu achten ist.
Datum: 04. Dezember 2008
Thema: Kontrollkonstruktionen, Bindungstheorie und PRO (Teil II)
Referat: Marlen Großmann, Beatrice Kleiber; Josephine Ernst, Anna Wagner
Protokoll II: Julia Gerlach
Bindungstheorie und PRO (2. Teil des Referats)
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Eine Übung sollte das ABC der Bindungstheorie aus der vorangegangenen Sitzung noch einmal festigen. Hierzu folgende Beispiele, in denen die Referenzmöglichkeiten der Pronomina und Anaphern erörtert werden sollten:
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Tim sagt, dass er ein Langweiler ist. Hierbei kann es zwei Lesarten geben, denn das Pronomen er kann sowohl auf Tim als auch auf eine andere Person referieren, ist also nicht maßgeblich mit Tim koindiziert, sondern frei.
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Er sagt, dass Tim ein Langweiler ist. Das Pronomen er kann hier nicht auf Tim referieren, ist also kein Antezedent für Tim. Er und Tim können also nicht koindiziert werden.
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Sandra glaubt, dass Tim sich mag. Hier muss das Reflexivpronomen sich mit Tim koindiziert werden, denn es ist eine Anapher und damit lokal an Tim gebunden.
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Sandra glaubt, dass Tim sie mag. Auch hier sind wieder zwei Lesarten möglich, denn das Pronomen sie kann sowohl mit Sandra koindiziert sein als auch frei stehen, dass heißt, auf eine dritte Person verweisen.
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Nach Chompsky muss das PRO unregiert sein. Dies besagt sein PRO-Theorem. Da PRO sowohl anaphorische [+ana] als auch pronominale [+pron] Eigenschaften aufweist, wird es als pronominale Anapher bezeichnet. Da aber alle DPs den Prinzipien der Bindungstheorie unterliegen, welche die Interpretation von Anaphern und Pronomina bestimmt, kann nicht eine Anapher positiv spezifiziert werden und gleichzeitig ein Pronomen in der gleichen Rektionskategorie frei sein. Bei Prinzip A der Bindungstheorie liegt [+ana] und [-pron] vor, bei Prinzip B hingegen [-ana] und [+pron]. Dabei entsteht ein Widerspruch, welcher nur aufgelöst werden kann, wenn PRO keine Rektionskategorie hat. Hierzu folgendes Beispiel: * Tim überlegt ( ob [PRO] Sandra zu besuchen). Ob regiert in diesem Satz das Subjekt des Infinitivsatzes. PRO ist jedoch nur in unregierten Positionen zugelassen. Der Satz ist somit ungrammatisch. Hingegen ist das Pro beim Satz Tim überlegt ([PRO] Sandra zu besuchen) das PRO unregiert.
Minimalistisches Programm
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Beim Minimalistischen Programm handelt es sich um eine Theorie nach Chomsky, nach der syntaktische Struktur mit Hilfe von ökonomischen Prinzipien erklärt wird. Grundlage hierzu bilden Mechanismen bei kognitiven und mentalen Prozessen.
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Ablauf: Zuerst wird eine sprachliche Äußerung gebildet. Dies nennt man Derivation. Es werden eine Reihe von Lexemen aus dem Lexikon ungeordnet entnommen und der syntaktische Generator bringt diese in eine Reihenfolge. Dabei erhält jedes Wort einen Index. Die mentale Operation select wählt nun zwei Elemente aus. Diese werden mir der Operation merge zu einer Phrase verknüpft. Die Merkmale des Kopfes übertragen sich auf die Phrase. Dies läuft dann so lange ab, bis alle Indizes auf null stehen. Eine dritte Operation move kann bereits integrierte Elemente noch innerhalb der Struktur verschieben. Sind alle sprachlichen Elemente eingeordnet, entsteht der Spell out. Wenn dieser Spell out dann geäußert wird, teilt er sich in zwei Formen mit, zum einen in die semantische Komponente, die sogenannte logische Form (LF) und in die phonetische Komponente, also die phonetische Form (PF). Diese beiden Formen treffen sich wiederum an zwei Schnittstellen, um beim Rezipienten zu einer Sprachverarbeitung zu führen, zum einen der konzeptuell-intentionalen Schnittstelle(CI), zum anderen der akustisch-phonetischen Schnittstelle(AP).
Bei all diesen Schritten herrschen folgende Ökonomieprinzipien: Das full interpretation principle sagt aus, dass Schnittstellen immer vollständig interpretiert werden. Das last resort besagt, dass ein Derivationsschritt nur dann legitim ist, wenn er für die Herstellng einer interpretierbaren linguistischen Repräsentation unabdingbar ist. Bei greed geht es darum, dass ein Element nur dann bewegt wird, um ein Merkmal dieses Elementes zu überprüfen. Den Verbot von zu langen Bewegungen gibt das shortest move Prinzip an. Und procastinate ist ein Verzögerungsprinzip, nachdem eine Bewegung nur dann erfolgt, wenn sie unerlässlich ist.
Als Beispielsatz diente: weil er seinen Schulleiter bewundert hat. Zuerst bekommt jedes Wort den Index Eins. Bei der Auswahl des Wortes seinen, welches im Akkusativ steht, und dessen Index nun auf Null gesetzt wird, wird nach dem dazugehörigen Nomen im Akkusativ gesucht. Dieses ist dann das Wort Schulleiter. Auch hier wird der Index auf Null gesetzt. seinen und Schulleiter, welche beide im Akkusativ stehen, werden nun zu einer DP zusammengefasst, die das Merkmal [+akk] übernimmt (merge). Im nächsten Schritt tritt das Verb des Satzes zur Phrase hinzu. Auch hier wieder ein Nullsetzen des Indexes. Dieses wird dann mit dem Pronomen er fortgesetzt usw., bis schließlich alle Wörter des Satzes den Index Null tragen.
Datum: 11. Dezember 2008
Thema: Zwischenstand
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Infinitivkonstruktionen
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mit Kasuszuweisung von außen
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Akk. mit Infinitiv (AcI)
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Nom. mit Infinitiv (NcI) = Anhebung = Raising
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mit leerem Subjekt PRO
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kontrolliert
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Subjektskontrolle
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Objektskontrolle
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mit arbiträrem PRO (Semantik: man)
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Theta-Kriterium
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Kasusfilter
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Bindung (Modell: Government & Binding)
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c-Command + Koreferenz (Koindizierung)
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Bindungsdomäne = regierende Kategorie (= CFC)
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finite IP
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infinite IP (außer Subjektposition)
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NP mit Genitivattribut
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ABC der Bindung
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A: reflexive/reziproke Pronomen = [+ana, –pro]
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B: Personalpronomen = [–ana, +pro]
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C: übrige NPs = R-Ausdrücke = [–ana, –pro]
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PRO [+ana, +pro] → keine Bindungsdomäne → unregiert
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Minimalistisches Programm
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Simplere Phrasenstruktur
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Schrittweise Generierung von Strukturen (Phasen)
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mit neuem Material: merge
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mit vorhandenem Material: move = copy & delete
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Weiterhin derivationelles Modell
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Spell-out → Schnittstellen
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Aber Verzicht auf S- und D-Struktur
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Bewegung immer merkmalgetrieben
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Ökonomiebeschränkungen für Bewegung
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Verzicht auf strukturelle Rektion
Datum: 11. Dezember 2008
Thema: Der Status infiniter Verbformen
Referat: Marlen Großmann, Beatrice Kleiber; Josephine Ernst, Anna Wagner
Protokoll I: Stefan Eberhardt
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Der erste Teil der Sitzung konzentrierte sich auf eine Wiederholung des letzten Referats zum Thema minimalistisches PRO (siehe Protokoll vom 04.12.; letzter Punkt: Beziehungen zwischen Minimalismus und PRO). Dabei wurde noch einmal festgehalten, dass das pronominale Infinitivsubjekt PRO einen Nullkasus besitzt und somit kasusmarkiert ist, weil es sich um eine (wenn auch unsichtbare) NP handelt. Wichtig dabei ist, dass PRO nur aus einer Nicht-Kasusposition in eine Kasusposition verschoben werden darf, nicht aber aus einer Kasusposition heraus, da dies gegen die Ökonomieprinzipien verstößt. Des Weiteren kann der Kasus auch nur von einer Spezifikator-Kopf-Relation überprüft werden, weshalb DPs in eine Spezifikator-Position verschoben werden müssen, um das Kasus-Merkmal zu überprüfen. Die Prüfung erfolgt durch I°, wobei jedoch zu beachten ist, dass nur ein tempusspezifiziertes infinites I [+tempus] den Null-Kasus von PRO überprüfen darf. Zur Verdeutlichung wurden dazu zwei Beispiele aus dem Englischen angeführt:
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John believed Peter to have played football, which was false.
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*John tried to play football, which was false.
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→ Somit ist die Infinitivergänzung der jeweiligen Verben unterschiedlich.
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Der zweite Teil des Seminars galt dann der Einleitung des neuen Themas zum "Status" infiniter Verbformen. Zu Beginn gab die Referentin eine allgemeine Einführung zu den Arten infiniter Verformen. Diese sind nicht nach Numerus und Person bestimmbar und lassen sich in die drei Kategorien Infinitiv, Partizip I und Partizip II untergliedern. Ersterer kann sowohl die Grundform des Verbs sein, ein reiner Infinitiv nach Modalverben oder in Verbindung mit einem "zu" und einem Verbzusatz stehen (Die Rollläden sind hochzuziehen.) Das Partizip I setzt sich aus dem Infinitivstamm und der Endung -end bzw. -nd zusammen und kann ebenfalls in Verbindung mit "zu" gebraucht werden (eine zu lösende Aufgabe). Das Partizip II (auch Partizip Perfekt genannt) wird überwiegend mit dem Präfix ge-, dem Infinitivstamm und der Endung -t oder -en gebildet (suchen → gesucht). Zu beachten ist, dass das Partizip II intransitiver und reflexiver Verben, das das Perfekt mit dem Hilfsverb "haben" bildet, nur in Form eines Relativsatzes gebraucht werden darf. In Verbindung mit Modalverben wird das Partizip Perfekt als Ersatzinfinitiv, der Gegenstand einer späteren Sitzung sein wird, gebraucht.
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Zum Schluss wurde der Unterschied zwischen starken, schwachen und gemischten Verben, anhand von drei Beispielen, bei der Bildung des Partizip II aufgezeigt: Sowohl bei starken als auch bei gemischten Verben erfolgt ein Vokalwechsel, jedoch folgt dem Stamm bei ersteren die Endung -en und bei letzteren die Endung -t. Auch die schwachen Verben enden auf -t, allerdings vollziehen sie bei der Partizip Perfekt-Bildung keinen Wechsel des Vokals.
Datum: 11. Dezember 2008
Thema: Der Status infiniter Verbformen
Referat: Marlen Großmann, Beatrice Kleiber; Josephine Ernst, Anna Wagner
Protokoll II: Anika Golz
PRO
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Nach einer kurzen Wiederholung und Zusammenfassung des bisher gelernten Stoffes und einer Übung zum Referat der letzten Woche ging es mit dem Thema "Minimalismus und PRO" weiter. Hierbei sollte die Frage geklärt werden, wie PRO erklärt und überprüft werden kann. Das Prinzip dabei ist, die Konstruktion kasustheoretisch zu erklären, wobei die Kasuszuweisung nicht über Rektion, sondern über die X-bar-Struktur vollzogen wird. PRO erhält hierbei, wie alle NPs, einen Kasus: den Null-Kasus. Dieser Null-Kasus wird von dem nichtfiniten I des Satzes an der Position [SpecIP] überprüft. Das heißt, sobald PRO in einem Satz vorhanden ist, wandert dieses aus der VP an die leere Spec-Postion. Dabei wird PRO lediglich auf seine Kompatibilität geprüft. Es wird kein Kasus zugewiesen. Nicht alle I0 können jedoch diese Überprüfung vollziehen. Eine Einschränkung ist hier die Spezifikation mit [+temp]. Dem nichtfiniten I wird also ein Zeitwert zugesprochen. Ob ein I° mit [+temp] spezifiziert ist, verdeutlichten dabei zwei Beispiele aus dem Englischen:
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John believed Peter to have played football, which was false. [–temp]
* John tried to play football, which was false. [+temp]
Der dem zweiten Satz zugesprochene Zeitwert ist zwar am Verb nicht erkennbar, lässt sich aber mit einem leichten "Hang zum Futur" beschreiben und erklären. Bei dieser Klasse der Verben ist PRO vorhanden. Um dies zu überprüfen, lässt sich eine Probe des Wahrheitswertes des Satzes anstellen. Ist keine Wahrheitsaussage möglich (wie in Satz 2), dann ist PRO vorhanden.
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Zum Abschluss des Themas wurde eine Übung für diesen Fall gemacht. Für den Satz "[Paul versucht], den Schlüssel zu finden." ist keine Wahrheitsaussage möglich ("Paul versucht, den Schlüssel zu finden, was falsch ist." ist ungrammatisch.) und daher ein PRO vorhanden. In diesem Fall muss PRO also aus der VP an die Position [SpecIP] bewegt werden.
Status
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Der letzte Teil des Seminars befasste sich dann mit dem "Status" infiniter Verbformen. Eingeleitet wurde das Thema mit einer Gegenüberstellung der verschiedenen Arten infiniter Verbformen, die weder nach Numerus noch Person bestimmbar sind. Zu ihnen gehören der Infinitiv und das Partizip I und II.
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Der Infinitiv ist die Grundform des Verbs, die auf -en endet, mit Modalverben oder auch in der Kombination mit "zu" auftritt. Das Partizip I oder auch Partizip Präsens ist eine abgeleitete Form mit der Endung -end oder -nd und dem Stamm des Infinitivs, die attributiv oder adverbial verwendet werden kann. Mit dem Partikel "zu" erhält es eine passivische Bedeutung, die eine Modalität oder Notwendigkeit ausdrückt. Das Partizip II oder Partizip Perfekt wird häufig mit dem Präfix ge-, dem Infinitivstamm und den Endungen -t oder -en gebildet. Welche Endung es erhält, hängt davon ab, ob es sich um ein starkes, schwaches oder gemischtes Verb handelt.
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Zum Abschluss wurden dann noch einmal die starken, schwachen und gemischten Verben voneinander unterschieden. Die schwachen Verben erfahren keinen Vokalwechsel bei der Konjugation – ihr Partizip II endet auf -t. Die starken Verben erfahren einen Vokalwechsel (zum Beispiel "finden" im Infinitiv, "fand" im Präteritum) und enden im Partizip II auf -en. Bei den gemischten Verben findet ein Vokalwechsel statt, das Partizip II endet aber auf -t.
Datum: 18. Dezember 2008
Thema: Syntaktische Kohärenz und Verbalkomplex
Referat: Marcel Dörschel, Kristin Hahn, Katja Pötzsch, Mandy Relius
Protokoll I: Josephine Ernst
Status
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Mit Hilfe des Verlesens des Protokolls wurde für die Seminarteilnehmer der aktuelle Stand des Seminarplanes rekapituliert. Die Unterscheidung von Infinitiv, Partizip I sowie Partizip II wurde dabei zuerst erwähnt, später ebenso die Unterteilung in schwache, starke und gemischte Verben.
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Die Kategorie "Status" ist ein konjugationssystematisches Äquivalent zum Kasus. Allgemein kann gesagt werden, dass finite und infinite Verben ein Rektionsverhältnis haben, das durch "Status" ausgedrückt werden kann. Komplemente flektieren dabei also nicht in Numerus und Person, sondern im Status. Es liegt Status- bzw. Infinitrektion vor. Nach Bech (1932 2) stellt auch Gallmann (2008) eine Tabelle zum Status infiniter Verbformen auf. Es wird, wie vorher bei Bech, in drei Status unterschieden, die jeweils verschiedenen Rektionen unterliegen: erstens der Status- oder Infinitrektion bei infiniten Verbform als Kern einer Verbalphrase und zweitens semantische Kasuswahl bei infiniten VF als Kern einer Adjektivphrase. Daraus ergeben sich folgende Kombinationsvarianten (+Beispiel):
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Statusrektion/Status 1: Reiner Infinitiv (Anna ließ Otto arbeiten.)
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Statusrektion/Status II: Infinitiv mit zu (Die Kinder scheinen zu schlafen.)
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Statusrektion/Status III: Partizip II (Der Zettel ist verschwunden.)
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semantische Wahl/Status I: Partizip I (die schlafenden Zuschauer)
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semantische Wahl/Status II: Partizip mit zu (die zu ersetzende CD)
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semantische Wahl/Status III: Partizip II (der entlarvte Spion)
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Festgehalten wurde im Bezug darauf, dass viele Verben, wie zum Beispiel mögen (Status I), vermögen (Status II), gehören (Status III) einen bestimmten Status direkt verlangen. Statusrektion kann aber im Gegenzug dazu auch Verben, die nicht an einen bestimmten Status gebunden sind, unterschiedliche Bedeutungen geben:
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Die Vase wird zerbrechen. → Futur I, aktiv
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Die Vase wird zerbrochen. → Präsens, passiv
Bei einigen Verben kann die Rektion auch ohne semantische Auswirkung schwanken. Helfen kann zum Beispiel mit und auch ohne zu stehen:
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Sie half mir das Bild aufhängen. (Status I)
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Sie half mir das Bild aufzuhängen. (Status II)
Bei Subjektinfinitiven mancher Verben (oder Adjektive) kann diese Schwankung ebenso der Fall sein. Im folgenden ersten Beispiel ändert sich allerdings die Semantik in Abhängigkeit des weiteren Satzverlaufes. Der Status-II-Satz erlaubt jedoch nur die erste Variante. Über Semantikschwankung bleibt hier also zu diskutieren.
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[Beispiele aus technischen Gründen weggelassen]
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Komplexe Prädikate mit Partizip II werden im Deutschen häufig mit einem Infinitiv ersetzt: Infinitiv + Partizip II → Infinitiv + Infinitiv = Ersatzinfinitivkonstruktion (IPP). Bei Modalverben wie können oder müssen ist dies obligatorisch (Ich habe den Satz nicht aussprechen können. versus Ich habe den Satz nicht aussprechen *gekonnt.), wohingegen Empfindungsverben fakultativ einen Ersatzinfinitiv verlangen (Ich habe den Mann rufen gehört. versus Ich habe den Mann rufen hören.) Als dritte Variante führte der Referent den Gebrauch ohne abhängigen Infinitiv an (Ich habe das gekonnt. versus Ich habe das *können.).
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Zum Abschluss wurde ein Ausblick der deutschen Sprachentwicklung in Form des vierten Status, der so genannten rheinischen Verlausform, geboten. Es handelt sich dabei um einen seltenen West-Ost-Unterschied binnen Deutschland, der die Nominalisierung mit am etabliert. Dabei zeigen sich jedoch auch unterschiedliche Bewertungen hinsichtlich der Angemessenheit einzelner Beispiele (Mein Vater ist schon wieder am Schimpfen. versus *Bin schon den Brief am Schreiben.) Angemerkt wurde allerdings auch, dass Nominalisierung allgemein nicht zu Status zählt.
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Status ist des Weiteren keine typisch deutschsprachige Komponente. Auch im Englischen beim to-Infinitiv (Gerund) oder im Französischen mit de oder à ist die Kategorie vertreten.
Verbalfelder
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Das zweite Referat trägt die den Titel Verbalfelder und syntaktische Kohärenz, das auf eine Theorie von Bech zurückgeht und eine Verfeinerung der Feldertheorie bedeutet. Zur Einführung in das Thema wiederholten die Referentinnen die Grundstruktur deutscher Sätze, aufgebaut aus Vorfeld, Satzkern, rechter Satzklammer, Mittelfeld und gegebenenfalls einem Nachfeld und betonten dann die Ausnahmestellung der nichtrelativen Nebensätze im Deutschen, die nicht im Mittelfeld des übergeordneten Satzes stehen dürfen (*Besonders bedauerlich ist, dass ich diesen Film verpasst habe, gewesen.).
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Statusregierende Verben könne wiederum von anderen Verben statusregiert sein. Dies wird mit Hilfe vom Rangindex (RI) und/oder Flexionsindex (FI) angegeben. Diese zu Analysezwecken eingesetzte Einheit entspringt noch Theorien vor der Etablierung der Generativen Grammatik. Man war versucht, mit dieser strukturalistischen Grammatiktheorie alles ohne Bewegung zu erklären.
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Es gibt einen oberen positiven RI: V^1, V^2, V^3, …, wobei V^1 das maximal übergeordnete Verb der Kette ist, sowie einen unteren positiven RI: (V_0), V_1, V_2, V_3, …, wobei V_0 nur als solches bezeichnet wird, wenn V_1 ein finites Verb in Verbzweitstellung ist (dann V_1 = V0).
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Der FI wird in vier Glieder zerlegt: V(0) als das Supinum, welches in Person und Zahl speziell bestimmbar ist, V(1) das Supinum im ersten Status, analog dazu V(2) und V(3) das Supinum im zweiten beziehungsweise im dritten Status. Um diese Glieder im Satz zu spezifizieren, empfiehlt die Referentin den Paraphrasetest, bei dem künstliche Nebensätze gebildet werden, die die Struktur klar machen sollen.
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Ein Verbalfeld, das das Symbol F^n trägt, umfasst jeweils das betreffende finite oder supinische Verbum V^n und die vom Verb abhängigen Elemente des Satzes (Subjekt, Objekt, …) und bilden in Abhängigkeit der erstgenannten Merkmale jeweils ein finites beziehungsweise supinisches Verbalfeld. Jeder Satz enthält ebenso viele Verbalfelder, wie er finite oder supinische Verben umfasst.
Datum: 18. Dezember 2008
Thema: Syntaktische Kohärenz und Verbalkomplex
Referat: Marcel Dörschel, Kristin Hahn, Katja Pötzsch, Mandy Relius
Protokoll II: Frauke-Maria Spannbauer
[Aus technischen Gründen vorhand noch weggelassen]
Datum: 18. Dezember 2008
Thema: Syntaktische Kohärenz und Verbalkomplex
Referat: Marcel Dörschel, Kristin Hahn, Katja Pötzsch, Mandy Relius
Protokoll III: Franziska Klingner
[Aus technischen Gründen vorhand noch weggelassen]
Datum: 18. Dezember 2008
Thema: Syntaktische Kohärenz und Verbalkomplex
Referat: Marcel Dörschel, Kristin Hahn, Katja Pötzsch, Mandy Relius
Protokoll IV: Katharina Oelze
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Zu Beginn der Sitzung wurde noch einmal die Unterscheidung zwischen AcI/ NcI-Konstruktionen und Kontrollkonstruktionen festgehalten. Beim ersten Typ weist das übergeordnete Verb in der Infinitivphrase keine Thetarolle zu, in Kontrollkonstruktionen jedoch schon, sodass hier PRO angenommen werden kann.
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Für die beiden Konstruktionen gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze, wie das übergeordnete Verb eine Steuerung vornimmt. Ein erster Ansatz nimmt an, dass das übergeordnete Verb über c-Selektion die Kategorie der Infinitivphrase bestimmt (bei AcI/NcI: IP, bei Kontrollkonstr.: CP). In einem anderen Modell geht man davon aus, dass die Infinitivphrase in beiden Typen eine IP darstellt, jedoch im ersten Typ das untergeordnete Verb ohne Tempusmerkmale erscheint, in Kontrollkonstruktionen hingegen Tempusmerkmale aufweist und somit wiederum von der Existenz von PRO ausgegangen werden kann.
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Im Anschluss wurde das Referat zum Status infiniter Verbformen fortgesetzt. Zunächst wurde die formale Kategorie Status eingeführt. Dazu wurde ausgeführt, dass finite und infinite Verbform in einem Rektionsverhältnis stehen. Das infinite Verb flektiert dabei nicht in Numerus und Person, sondern im Status. Das übergeordnete Verb übt also Statusrektion aus. Insgesamt unterscheidet man drei Arten von Status, wobei noch einmal zu trennen ist, ob das infinite Verb als Kern einer VP oder als Kern einer AdjP fungiert. Im ersten Fall, auch Supinum genannt, wird Status I durch einen reinen Infinitiv repräsentiert (Bsp.: Anna ließ Otto arbeiten), Status II durch einen Infinitiv mit zu (Die Kinder scheinen zu schlafen) und Status III durch die Partizip II – Form (Der Zettel ist verschwunden). Im zweiten Fall, den man auch als Partizipium bezeichnet, tritt Status I in Form von Partizip I auf (liebend), Status II in Form eines Partizips mit zu (zu liebend) und Status III wieder in Form des Partizips II (geliebt). Da für das Seminar vor allem der Fall Supinum von Relevanz ist, wurde dieser Typ nun ausführlicher betrachtet.
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Dabei wurde festgestellt, dass viele Verben einen ganz bestimmten Status verlangen und häufig verwendete Verben durch Statusrektion unterschiedliche Bedeutung erlangen können. Als Beispiel wurden die beiden Sätze a) "Die Vase wird zerbrechen" und b) "Die Vase wird zerbrochen" angeführt. In a) liegt Status I vor und es handelt sich um ein Aktiv Futur I, in b) liegt Status III vor und es wird ein Passiv Präsens zum Ausdruck gebracht.
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Weiter wurde beobachtet, dass bei einigen Verben die Rektion schwanken kann, ohne semantische Auswirkungen mit sich zu ziehen (Bsp.: Etwas erleben bedeutet, … (Status I) / Etwas zu erleben bedeutet … (Status II)). Solche Schwankungen treten auch bei Subjektinfinitiven bestimmter Verben und Adjektive auf. Hingegen gibt es auch Wortarten, die einen bestimmten Status verlangen. So fordern bestimmte Adjektive, Nomen und Subjunktionen den Status II (Bsp: aufrecht zu gehen / den Tresor zu knacken/ ohne zu zögern).
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Es wurde weiter ausgeführt, dass ein Partizip II, das mit komplexen Prädikaten auftritt, im Deutschen oft durch einen Infinitiv ersetzt wird, wenn es einen Infinitiv regiert. Man spricht hier vom sogenannten "Ersatzinfinitiv"oder IPP (Infinitus pro Participio). Bei Modalverben liegt ein solcher Wechsel von Partizip II zu Infinitiv obligatorisch vor. Als Beispiel diente der Satz "Ich habe den Satz nicht aussprechen *gekonnt". Da das Partizip II den Infinitiv "aussprechen" regiert, wird es in einen Infinitiv umgewandelt ("Ich habe den Satz nicht aussprechen können"). Fakultativ tritt es bei Empfindungsverben auf (Ich habe den Mann rufen gehört /hören). Regiert das Partizip II keine Infinitiv, bleibt es unverändert (Bsp. Ich habe das gekonnt/ *können).
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Am Ende des Referats wurde auf die "rheinische Verlausform" als Status IV eingegangen. Hierbei handelt es sich um eine Nominalisierung von Verben durch das Voranstellen von "am" (Bsp: Mein Vater ist schon wieder am Schimpfen), die sich im regionalen Deutsch etabliert, wobei Varianten mit Objekt weniger gebräuchlich sind (Bsp.: Bin schon den Brief am Schreiben)
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Es folgte das Referat über Verbalfelder und syntaktische Kohärenz. Zunächst wurde wiederholend auf Satzklammern und Felder Bezug genommen und danach subordinative/ hypotaktische Ketten erläutert. Solche Ketten liegen vor, wenn ein statusregierendes Verb von einem anderen Verb wiederum statusregiert wird. Innerhalb einer hypotaktischen Kette unterliegen die Glieder einer bestimmten Rangfolge, die durch den Rangindex und den Flexionsindex angegeben wird. Der Rangindex kann als oberer positiver oder unterer positiver Index dargestellt werden. Beim oberen positiven Index wird die Zahl, die die Rangfolge widerspiegelt, hochgestellt (V^1,V^2, V^3), V^1 stellt dabei das maximal übergeordnete Verb der Kette dar, d.h. V^1 regiert V^2, V^2 regiert V^3 usw. Beim unteren positiven Index wird die Zahl tiefgestellt. Zusätzlich kommt hier hinzu, dass V_1, insofern es sich um ein finites Verb in Verbzweitstellung handelt, als V_0 gekennzeichnet wird. V_2 wird in diesem Fall also zu V_1. Für eine vollständige Angabe der Rangfolge bedarf es noch des Flexionsindexes, der den Status der Verben in eingeklammerten Zahlen repräsentiert. V(0) steht dabei für das finite, also in Person und Numerus bestimmte, Verb, V(1) für ein Supinum im 1.Status, V(2) für ein Supinum im 2.Status und V(3) für ein Supinum im 3.Status. Die Reihenfolge welches Verb welches regiert, lässt sich mithilfe des Fragetests und des Paraphrasentests (Bildung künstlicher Nebensätze) ermitteln, auch wenn beide Tests eher intuitiv sind.
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Zum Schluss kamen die Referenten auf das Verbalfeld (F) zu sprechen, das das betreffende Verb einschließlich seiner abhängigen Elemente im Satz umfasst. Je nach dem, ob das Verb finit oder supinisch ist, handelt es sich um ein finites oder supinisches Verbalfeld. Dabei enthält jeder Satz genauso viele Verbalfelder wie er finite bzw. supinische Verben besitzt. Die Angabe des Verbalfeldes beinhaltet den Rangindex und Flexionsindex des zugehörigen Verbs (Bsp.: V^3(2) = F^3(2)).
Datum: 18. Dezember 2008
Thema: Syntaktische Kohärenz und Verbalkomplex
Referat: Marcel Dörschel, Kristin Hahn, Katja Pötzsch, Mandy Relius
Protokoll V: Uta Perner
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Zu Beginn der Sitzung wurde noch einmal auf die Unterschiede von AcI- und NcI- Konstruktionen sowie Kontrollkonstruktionen eingegangen.
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Der Unterschied besteht darin, dass in den AcI- und NcI- Konstruktionen das übergeordnete Verb in den Infinitivphrasen keine Thetarolle zuweist. In der Kontrollkonstruktion geschieht dies jedoch, sodass PRO als eine fiktive Einheit gedacht werden muss.
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Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde die Kategorie "Status" eingeführt. Finite und infinite Verbformen stehen in einem Rektionsverhältnis, denn das finite Verb legt die morphologische Form des infiniten Verbs fest. Das infinite Verb flektiert dabei im Status. Also übt das übergeordnete Verb Statusrektion beziehungsweise Infinitrektion aus. Drei Arten von Status sind zu unterscheiden, wobei nochmal ein Unterschied gemacht wird, ob die infinite Verbform den Kern einer Verbalphrase oder einer Adjektivphrase darstellt.
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Im Supinum, also wenn die infinite VF als Kern einer VP agiert, wird der Status I durch einen reinen Infinitiv repräsentiert (Bsp.: Anna ließ Otto arbeiten). Im Partizipium, wenn die infinite VF als Kern einer AP agiert, äußert sich der Status I in Form von Partizip I (liebend). Im Supinum wird Status II durch einen Infinitiv mit "zu" (Die Kinder scheinen zu schlafen) und Status III durch ein Partizip II repräsentiert (Der Zettel ist verschwunden). Im Partizipium wird Status II in Form eines Partizips mit zu (die zu ersetzende CD) und Status III in Form des Partizips II (der entlarvte Spion) repräsentiert. Sowohl im Supinum als auch im Partizipium wird der Status III mit Hilfe von einem Partizip II dargestellt. Das Hauptaugenmerk wurde nun auf das Supinum gelegt, da dieser Fall für das Seminar bedeutend ist.
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Es wurde darauf hingewiesen, dass häufig verwendete Verben durch Statusrektion unterschiedliche Bedeutung erlangen können und viele Verben einen bestimmten Status verlangen. Als Beispiel dienten zwei Sätze: a) "Die Vase wird zerbrechen" und b) "Die Vase wird zerbrochen". Ein Schwanken in der Semantik ist zu erkennen. In a) liegt Status I vor und es handelt sich um ein Aktiv Futur I. In b) liegt Status III vor, es handelt sich um ein Passiv Präsens.
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Ein weiteres Phänomen wurde dargestellt. Bei einigen Verben kann die Rektion schwanken, ohne semantische Auswirkungen mit sich zu ziehen. Das heißt, die Rektion der Verben ist unterschiedlich, jedoch unterscheiden sich die regierten VF nicht in ihrer Bedeutung. Ein Beispiel hierfür: a) Sie half mir das Bild aufhängen (Status I); b) Sie half mir, das Bild aufzuhängen (Status II). Schwankungen des Status treten auch bei Subjektinfinitiven bestimmter Verben und Adjektive auf. Diese haben ebenfalls keine Auswirkung auf die Semantik. Beispiele hierfür sind: a) Wirkliche Freunde finden… (Status I); b)Wirkliche Freunde zu finden… (Status II). Es gibt aber auch Wortarten, die einen bestimmten Status verlangen. Bestimmte Adjektive, Nomen und Subjunktionen fordern den Status II (aufrecht zu gehen / den Tresor zu knacken/ ohne zu zögern).
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Weiterführend wurde darauf aufmerksam gemacht, dass ein Partizip II, welches mit komplexen Prädikaten auftritt, im Deutschen oft durch einen Infinitiv ersetzt wird, wenn es ein Infinitiv regiert (Ersatzinfinitiv oder IPP [Infinitus pro Participio]). Bei Modalverben liegt der Wechsel von Partizip II zu Infinitiv obligatorisch vor (Ich habe den Satz nicht aussprechen *gekonnt). Das Partizip II regiert den Infinitiv "aussprechen", also wird es in einen Infinitiv umgewandelt (Ich habe den Satz nicht aussprechen können). Bei Empfindungsverben tritt der Wechsel fakultativ auf (Ich habe den Mann rufen gehört /hören). Wenn das Partizip II keinen Infinitiv regiert, bleibt es unverändert (Bsp. Ich habe das gekonnt/ *können).
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Die "rheinische Verlausform" als Status IV bildete das Finale des Referats. Diese Verlaufsform ist eine Nominalisierung von Verben durch das Voranstellen von "am" (Mein Vater ist schon wieder am Schimpfen).
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Ein zweites Referat wurde gehalten. Das Thema war Verbalfelder und syntaktische Kohärenz. Um den Einstieg zu erleichtern, ging die Referentin auf Satzklammern und Felder, die Grundstruktur eines deutschen Satzes ein. Anschließend wurden subordinative/ hypotaktische Ketten erläutert.
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Wenn das Phänomen eintritt, dass ein statusregierendes Verb von einem anderen Verb statusregiert wird, nennt man dies subordinative/ hypotaktische Kette. Diese Ketten ergeben sich aus der Statusvergabe beziehungsweise dem Status. Glieder, die sich innerhalb einer hypotaktischen Kette befinden, unterliegen einer bestimmten Rangfolge, die durch den Rangindex und den Flexionsindex repräsentiert wird. Der Rangindex kann sowohl als oberer positiver als auch unterer positiver Index dargestellt werden und dient zu Analysezwecken. Beim unteren positiven Index wird, wie der Name schon sagt, die Zahl tiefgestellt. V_1 wird hier als V_0 gekennzeichnet, wenn es sich um ein finites Verb in Verbzweitstellung handelt. V_2 wird zu V_1. Beim oberen positiven Index wird die Zahl, die die Rangfolge widerspiegelt, hochgestellt (V^1, V^2, V^3), wobei V^1 das maximal übergeordnete Verb der Kette darstellt. V^1 regiert V^2, V^2 regiert V^3. Der Flexionsindexe ist nötig um den Status der Verben anzugeben. Dieser wird in eingeklammerten Zahlen abgebildet. V(0) steht für das finite Verb, V(1) für ein Supinum im Status I, V(2) für ein Supinum im Status II und V(3) für ein Supinum im Status III. Um die Reihenfolge der sich gegenseitig regierenden Verben zu ermitteln, gebraucht man den Fragetest und den Paraphrasentest. Man sei allerdings darauf hingewiesen, dass beide Tests eher intuitiver Natur sind.
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Schließlich wurde das Verbalfeld (F) ins Spiel gebracht. Das Verbalfeld umschließt das betreffende Verbum und die vom Verb abhängigen Elemente des Satzes. Es kann sowohl finit als auch supinisch sein. Das hängt davon ab, ob das Verb finit oder supinisch ist. Jeder Satz enthält genauso viele Verbalfelder, wie er finite bzw. supinische Verben besitzt. Im Verbalfeld werden Rangindex und Flexionsindex des dazugehörigen Verbs angegeben (V^3(2) = F^3(2)).
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Da die Referentin ihr Referat aus Zeitmangel nicht beenden konnte, wird nächste Sitzung mit dem Kohärenzfeld fortgesetzt.
Datum: 08. Januar 2008
Thema: Syntaktische Kohärenz und Verbalkomplex
Referat: Mandy Relius / Katja Pötzsch
Protokoll I: Marcel Dörschel
Übung
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Die vergangene Sitzung begann mit einer Übung, die an das letzte Seminar des Jahres 2008 anknüpfen sollte. Die Aufgabe lautete wie folgt: […]
Kohärenzfeld
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Im Anschluss daran setzten die Referentinnen mit dem eigentlichen Thema fort. Zunächst wurde das Kohärenzfeld (K) näher beleuchtet.
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Das Kohärenzfeld (K) umfasst mindestens ein Verbalfeld und zerfällt zum einen in das Restfeld (R) und zum anderen in das Schlussfeld (S). Das Restfeld umfasst das Finitum in Verb-Zweitstellung (insofern es eins gibt) und die übrigen Bestandteile des K. Das Schlussfeld hingegen enthält alle zum Kohärenzfeld gehörenden finiten oder supinischen Verben, außer das Finitum in Verb-Zweitstellung.
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Am Beispiel Er hat das Buch lesen müssen verdeutlicht heißt das: Der gesamte Satz bildet das Kohärenzfeld. Restfeld hingegen ist Er hat das Buch und Schlussfeld lesen müssen.
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Zusätzlich wurden die Begriffe 'kohärent' und 'inkohärent' eingeführt. Das Beispiel Er hat das Buch lesen müssen ist eine kohärente Konstruktion, da die zur hypotaktischen Kette gehörenden Verbalfelder zum selben Kohärenzfeld gehören. Eine inkohärente Konstruktion hingegen ist dadurch gekennzeichnet, dass die zu einer hypotaktischen Kette gehörenden Verbalfelder zu unterschiedlichen Kohärenzfeldern gehören. Dies soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Er soll den Vater gebeten haben, den Jungen laufen zu lassen. Dieser Satz ist inkohärent, da er aus zwei Kohärenzfeldern besteht. Diese zwei Kohärenzfelder wiederum konstituieren sich aus drei bzw. zwei Verbalfeldern, die innerhalb des jeweiligen Kohärenzfeldes kohärent in Erscheinung treten. Konträr zu diesem Aspekt verhält sich jedoch ein Verbalfeld eines K zu einem anderen Verbalfeld eines anderen K inkohärent.
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Des Weiteren ist jedes Kohärenzfeld eine in sich geschlossene Einheit. Das heißt, dass ein Element eines K nicht zwischen zwei Elementen eines anderen K stehen kann.
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Am Ende dieser Thematik wurde noch einmal eine Unterscheidung zwischen finitem und supinischem K angefügt. Bei einem finiten K fehlt manchmal das Schlussfeld, aber nie das Restfeld. Beim supinischen K verhält es sich demnach umgekehrt.
Kohärenzregel
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Ein zweiter Schwerpunkt war der der Kohärenzregel:
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Die Kohärenzregel besagt, dass zwei Verbalfelder F' und F'', bei denen V' den Status V'' regiert, kohärent sind, wenn V'' im ersten oder dritten Status steht. Sie können aber (je nach Umständen) kohärent oder inkohärent sein, wenn V'' im zweiten Status steht.
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Steht V'' im zweiten Status, dann bestehen folgende Möglichkeiten. Zum einen kann von Kohärenz gesprochen werden, wenn V' und V'' im selben Schlussfeld - wie z.B. bei dass er die Briefe zu lesen versucht - steht (F' und F'' kohärent). Zum anderen ist von Inkohärenz die Rede, wenn V' und V'' in unterschiedlichen Schlussfeldern stehen (dass er nicht wagt, den Plan fallen zu lassen) (F' und F'' inkohärent). Demnach kann der Status von V'' nicht genutzt werden, um Kohärenz zu ermitteln.
Kohärenzkriterien
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Nach der Kohärenzregel wurden dem Plenum die Kohärenzkriterien näher erläutert.
Diese dienen der Unterscheidung von Kohärenz und Inkohärenz.
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Ein erstes Kriterium ist das der Topologie des Schlussfeldes. Dabei sind Kohärenz und Inkohärenz durch die Reihenfolge der Schlussfeldglieder feststellbar. Kohärenz besteht dann, wenn zwei Verbalfelder (F) zum selben Kohärenzfeld gehören. Dabei ist jedoch folgende Bedingung zu berücksichtigen: Das Regentum (regiertes Verb) innerhalb eines Schlussfeldes muss vor dem Regens (regierendes Verb) stehen, wenn der Regens den zweiten Status regiert.
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Von Inkohärenz wird gesprochen, wenn sich der Regens vor dem Regentum befindet, da dann zwei Schlussfelder existieren.
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Ein zweites Kriterium ist die Grenzpause. Dabei geht es um die gesprochene und die geschriebene Sprache. Verbalfelder, die eine kohärente Verbindung eingehen, bilden eine rhythmische Einheit, wie z.B. dass er sie zu küssen versucht. Inkohärenz herrscht vor, wenn z.B. zwei Kohärenzfelder durch eine Grenzpause voneinander getrennt sind, wie z.B. er versucht, : sie zu küssen.
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Das dritte Kriterium ist das der Topologie des Restfeldes. Demnach ist von einer kohärenten Verbindung die Rede, wenn F' und F'' zum selben Restfeld gehören (Sie wagt ihn nicht zu stören). Eine inkohärente Verknüpfung lässt sich hingegen daran erkennen, dass die Restfeldglieder zu unterschiedlichen Restfeldern gehören (Sie wagt nicht, ihn zu stören).
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Ein weiteres Kriterium ist die Kohäsion, die auch als kohäsive Verbindung bezeichnet werden kann. Dies betrifft ein Phänomen, bei dem zwei sprachliche Zeichen unter bestimmten Bedingungen durch einen Ausdruck ersetzt werden können, wie z.B. niemand = nicht + jemand. Wichtig dabei ist zu erwähnen, dass das nur bei Kohärenz von Verbalfeldern möglich ist.
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Ein fünftes Kriterium ist das des Vorrückens des Relativsatzes. Dieses besagt: Wenn F'', das zum Relativum gehört, unmittelbar vor das Subjekt von F' gerückt wird, dann sind F' und F'' inkohärent (ein Umstand, den zu berücksichtigen, er immer vergaß).
Komma beim Infinitiv
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Nach den Kohärenzkriterien wurde die syntaktische Kohärenz am Beispiel der Kommatierung von Infinitiven zum Gegenstand der Betrachtung gemacht.
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Einen ersten Ausgangspunkt bildete dabei die Betrachtung der Kohärenz bei Bech. Er definiert den Kohärenzbegriff im Sinne der Topologie. Wenn ein Infinitivkomplement im Nachfeld steht, dann liegt eine inkohärente Infinitivkonstruktion vor. Ist es allerdings im Mittelfeld vorzufinden, ist von einer kohärenten Infinitivkonstruktion die Rede.
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In der Prinzipien- und Parametertheorie (PPT) wird der Kohärenz- bzw. Inkohärenzbegriff nach syntaktischen Aspekten definiert, das bedeutet nach der Satzwertigkeit.
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Ist ein Infinitivkomplement satzwertig, so bildet die Infinitivgruppe ein eigenständiges Prädikat und ist inkohärent. Von einer Nicht-Satzwertigkeit und zudem Kohärenz wird gesprochen, wenn die Infinitivgruppe mit einem übergeordneten Verb ein komplexes Prädikat bildet.
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Diese theoretische Definition findet Anwendung im Bereich der Kommaregelung bei Infinitiven. Infolgedessen werden inkohärente Infinitive (satzwertig) durch ein Komma abgetrennt (Ich werde es sehr bedauern, diesen Film verpassen zu müssen), kohärente (nicht satzwertig) jedoch werden durch kein Komma abgetrennt (Ich hätte noch etwas anderes zu erledigen gehabt.
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Des Weiteren bestimmt das übergeordnete Verb eines Satzes, ob eine Infinitivgruppe mit ihm ein komplexes Prädikat bilden kann und somit kohärent bzw. inkohärent ist. In Bezug auf die Infinitivgruppe gibt es drei Möglichkeiten.
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Das Verb des übergeordneten Satzes bildet mit dem Infinitiv ein komplexes Prädikat, d.h. der Infinitiv ist nie satzwertig. Dabei fehlt das Partikel "zu"(formal) und das Verb des übergeordneten Satzes weist dem Subjekt keine thematische Rolle zu.
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Die abhängige Infinitivgruppe ist immer satzfähig. Es handelt sich allerdings nie um ein komplexes Prädikat, wenn die Infinitivgruppe mit dem übergeordneten Verb nur über ein Korrelat verbunden ist. Des Weiteren sind Infinitivgruppen bei Rechts- und Linksversetzung immer satzwertig (Bedingung: es muss verschiebbar sein). Zusätzlich werden die Infinitivgruppen bei Rechts- und Linksverschiebung mit Komma abgetrennt. Neben diesen beiden Besonderheiten gibt es noch andere, die während des Vortrages kurz erwähnt wurden.
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Ebenso gibt es Infinitivgruppen, bei denen nicht ohne weiteres feststellbar ist, ob sie mit dem übergeordneten Verb ein komplexes Prädikat bilden oder nicht. Dies betrifft oft Infinitivgruppen mit der Funktion eines Objekts.
Datum: 08. Januar 2008
Thema: Syntaktische Kohärenz und Verbalkomplex
Referat: Mandy Relius / Katja Pötzsch
Protokoll II: Julia Schreiter / Susanne Sodan
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Thema der Sitzung war die syntaktische Kohärenz. In der deutschen Sprache ist es möglich, dass ein Prädikat aus mehreren Verben besteht, die voneinander abhängen. Die erste Position wird vom finiten Verb besetzt, das dann ein weiteres Verb verlangen kann. Bei der vorgestellten Kohärenztheorie von Gunnar Bech handelt es sich um ein Modell, das die Systematik des deutschen Satzes beschreibt. Es berücksichtigt den Zeitablauf der von den Verben benannten Vorgänge und kommt ohne Bewegung der Satzglieder aus. Bech teilt Sätze in Kohärenzfelder (K) ein. Kohärenzfelder stellen eine Typologie der Verbalfelder (F) dar. Jedes Kohärenzfeld beinhaltet mindestes ein Verbalfeld und besteht aus Schlussfeld und Restfeld. Das Schlussfeld enthält das finite oder supinische Verb, das Restfeld besteht aus dem Finitum in Verbzweitstellung, falls vorhanden, und den übrigen Bestandteilen des Kohärenzfeldes. Ein Satz ist kohärent, wenn seine Verbalfelder zum selben Kohärenzfeld gehören, er also nur aus einem Kohärenzfeld besteht. Alle Kohärenzfelder bilden eine in sich geschlossene Einheit. Sie sind untereinander nicht kohärent. Bei einer Mischung der Verbalfelder verschiedener Kohärenzfelder würden unkorrekte Sätze entstehen. Die Elemente innerhalb eines Kohärenzfeldes lassen sich aber verschieben.
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Man kann zwischen supinischem und finitem K unterscheiden. Fehlt das Schlussfeld, handelt es sich um ein finites, ohne Restfeld um ein supinisches K. Der Satz "Er nimmt das Buch" besteht nur aus dem Restfeld, es liegt ein finites K vor. Bei dem Beispiel "dass er mir versprach, zu kommen" liegt mit "zu kommen" lediglich das Schlussfeld vor; das Kohärenzfeld ist supinisch.
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Um herauszufinden, ob ein Satz kohärent ist, zieht man zunächst die Kohärenzregel heran. Zwei Verbalfelder F′ und F′′ sind kohärent, wenn V′ den ersten oder dritten Status der V′′ regiert. Steht V′′ jedoch im zweiten Status, können die Verbalfelder kohärent oder inkohärent sein. Um dies zu entscheiden, nutzt man die fünf Kohärenzkriterien. Man kann erstens die Topologie des Schlussfeldes betrachten. Steht die regierte Verbform vor der regierenden und gehört somit zum selben Schlussfeld, ist der Satz inkohärent. Im Beispiel "Er muss (V) zu arbeiten (V′′) versuchen (V′)" regiert "versuchen" das Verb "arbeiten". Das regierende Verb steht hinter dem regierten. Der Satz ist kohärent. Bei dem Gegenbeispiel "Er muss (V) versuchen (V′), zu arbeiten (V′′)" steht das regierende Verb vor dem regierten. V′und V′′ stehen nicht im selben Schlussfeld, der Satz ist inkohärent. Für das zweite Kohärenzkriterium, die Grenzpause ist das Sprachgefühl wichtig. Kohärente Sätze bilden eine rhythmische Einheit, während die Kohärenzfelder inkohärenter Sätze durch eine Grenzpause (Satzzeichen im Schriftbild) getrennt sind. Das dritte Kohärenzkriterium ist die Topologie des Restfeldes. Es besagt, dass inkohärente Sätze mehrere Restfelder beinhalten können. Im inkohärenten Beispielsatz "Sie wagt nicht, ihn zu stören" bildet "Sie wagt nicht" ein Restfeld, "ihn" das zweite. Die beiden Restfelder werden durch "nicht" getrennt. "Nicht" gehört semantisch zu "wagen". Es steht an seiner richtigen Stelle. Im Satz "Sie wagt ihn nicht zustören" steht das "nicht" weit entfernt von dem semantisch zugehörigen "wagen", spaltet aber das Restfeld nicht auf. Der Satz ist kohärent. Das vierte Kohärenzkriterium ist die Kohäsion. Dabei handelt es sich um das Phänomen, dass zwei sprachlich Zeichen zu einem Ausdruck zusammengefasste werden. Zum Beispiel besteht das Wort "nichts" aus "nicht" und "etwas". Ein solches Wort trägt zwei Bedeutungen in sich und kann sich auf zwei Verben beziehen, wie das Beispiel "dass er nichts besseres zu tun vermag" zeigt. "Nichts" bezieht sich auf "zu tun" und "vermag". Solche Wörter können nur in kohärenten Sätzen genutzt werden. Im Satz "dass er nicht vermag, etwas Besseres zu tun" gehören die verschiedenen Bedeutungen von "nicht" und "etwas" hingegen zu verschiedenen Verben. Somit ist der Satz inkohärent. Ein weiteres Kohärenzkriterium zeigt sich im Vorrücken des Relativsatzes. Wenn es möglich ist F′′ unmittelbar vor das Subjekt von F′ zu stellen sind F′ und F′′ inkohärent. Zum Beispiel lässt sich der Satz "Ein Umstand, den er (N′) immer zu berücksichtigen (F′′) vergaß (F′)" zu "Ein Umstand, den zu berücksichtigen (F′′) er (N′) immer vergaß (F′)" umwandeln. Bei dem Satz "Ein Umstand, den er immer berücksichtigen muss" ist es nicht möglich, "muss" (F′) vor "er" (N′) und "berücksichtigen" (F′′) zu stellen. Der Satz "ein Umstand, den zu berücksichtigen er immer muss" wäre falsch. Allerdings ist dieses Kohärenzkriterium nicht eindeutig, da sich Verben finden lassen, mit denen sich auch kohärente Sätze umformen lassen.
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Daher haben Sprachwissenschaftler später die Prinzipien- und Parametertheorie (PPT) aufgestellt, die sich an Bechs anlehnt, jedoch versucht, die Schwächen seines Modells zu beheben. Bechs topologischer Ansatz wird durch einen syntaktischen ersetzt, der Kohärenz und Inkohärenz danach bestimmt, ob das Infinitivkomplement satzwertig ist. Inkohärente Sätze werden als satzwertig bezeichnet, kohärente Sätze als nicht satzwertig. Satzwertige bilden ein eigenständiges Prädikat und werden durch ein Komma abgetrennt. Nicht satzwertige bilden mit dem übergeordneten Verb ein komplexes Prädikat und werden nicht durch ein Komma abgetrennt. Die Steuerung der Satzwertigkeit erfolgt durch das übergeordnete Verb. Dabei gibt es drei Möglichkeiten.
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Erstens: Das Verb des übergeordneten Satzes bildet mit dem Infinitiv ein komplexes Prädikat, das heißt der Infinitiv ist nie satzwertig. Dies ist der Fall wenn der Partikel "zu" fehlt. (Bsp. "Ich habe den Schalter drehen können.") Weiterhin weist das Verb des übergeordneten Satzes dem Subjekt keine thematische Rolle zu. (Bsp. "Der Zug" erhält die thematische Rolle im Satz "Der Zug scheint verspätet abzufahren." von "abzufahren" und nicht von "scheint") Die kohärente Infinitivgruppe kann nicht ins Nachfeld verlagert werden. (Bsp. "Ich hätte gehabt, noch etwas anderes zu erledigen.")
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Zweitens: Die abhängige Infinitivgruppe ist immer satzwertig. Dieser Fall trifft zu, wenn Infinitivgruppe und übergeordnetes Verb nur durch ein Korrelat verbunden sind, die Infinitivgruppe das Subjekt des übergeordneten Satzes vertritt, der Infinitiv von einem Adjektiv oder einem Nomen abhängt, die Infinitivgruppe mit Demonstrativum das Vorfelds besetzt, bei Rechts- oder Linksversetzung und wenn die Infinitivgruppe mit "zu" in der Funktion eines Adverbials auftritt.
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Drittens: Es lässt sich nicht ohne weiteres feststellen, ob Infinitivgruppe und übergeordnetes Verb ein komplexes Prädikat bilden. (Bsp. "Er wagte das Zimmer zu betreten." vs. "Er wagte, das Zimmer zu betreten.")
Datum: 15. Januar 2008
Thema: Optimalitätstheorie und Ersatzinfinitiv
Referat: Stefan Harm / Frauke-Maria Spannbauer
Protokoll I: Sindy Geißler
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Thema der Sitzung war die Optimalitätstheorie und der Ersatzinfinitiv, der innerhalb dieses Rahmens erläutert werden sollte.
Optimalitätstheorie
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Nach Verlesung des Protokolls der vergangenen Veranstaltung, stellten die Vortragenden die Optimalitätstheorie als theoretisches Modell der Linguistik vor. Mithilfe dieser Theorie soll durch den Vergleich von optimalen und suboptimalen Kandidaten der geeignetste herausgefiltert werden. Das Ergebnis dieses Vergleichs wird durch Beschränkungen festgelegt. Dabei finden sich zwei verschiedene Arten dieser sogenannte Constraints, Markiertheitsbeschränkungen und Treuebeschränkungen. Desweiteren wird in der Optimalititätstheorie zwischen Input- und Outputformen unterschieden, die mithilfe einer Tabelle, dem Tableau, angeordnet werden. Unter den Inputformen werden sinntragende Wörter verstanden, die Outputformen hingegen zeigen die möglichen grammatischen Lösungen. Markiertheitsbeschränkungen beziehen sich auf die Outputkandidaten und beschreiben deren Formen, wohingegen die Treuebeschränkungen eine Übereinstimmung der Input- und Outputformen verlangt.
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Obwohl die Constraints universell sind, also in jeder Sprache nachweisbar sind, werden sie in jeder Sprache anders gewertet. Es gibt also unterschiedliche Constraintrankings.
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Auf dieser Basis gründet sich die Verletzbarkeit der Constraints. Auch eine optimale Outputform darf verletzt werden, dies aber unter der Bedingung, dass sie von einem in der Hierarchie höher stehenden Constraint überlagert wird. Als optimal ist daher ein Kandidat zu sehen, der die geringste Constraintverletzung aufweist.
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Veranschaulicht wurde dies am Beispiel der niederländischen Sprache mit dem Wort "bed"
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In einem Tableau werden in der linken Spalte alle Kandidaten, im Beispiel sind das vier, aufgelistet. Die oberste Zeile enthält links die Inputform und nach rechts, mit abnehmender Dominanz, die Constraints. Die in der Hierarchie am höchsten gelagerte ist in diesem Fall voiced coda, folgend Ident-IO voice und VOP. Die letzten beiden Kandidaten verletzen bereits die am höchsten gerankte Beschränkung und fallen aufgrund ihrer Auslautverhärtung als optimale Wahl weg. Auch die zweite Outputform verstößt in nächster Instanz gegen eine Treuebeschränkung, nämlich die der Stimmhaftigkeit. Somit ist der erste Kandidat auch gleichzeitig die optimale Outputform.
Ersatzinfinitiv
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Nach der Vorstellung dieses Beispiels begannen die Vortragenden mit der Vorstellung des Ersatzinfinitivs, welchen wir bereits in einer der vorangegangenen Sitzungen als IPP, Infinitivus pro Participio kennengelernt haben. Dieser tritt statt dem Partizip II auf, wenn ein Verb in einer Perfekt- oder Plusquamperfektform einen weiteren Infinitiv verlangt. Der Einsatz des Ersatzinfinitivs ist abhängig von der jeweiligen Verbklasse. Kausative und Modalverben verlangen ihn zwingen, Perzeptionsverben wie sehen, hören, fühlen und Benefaktive wie helfen und lernen, stellen eine Verwendung frei. In allen anderen Verbklassen ist eine Verwendung des Ersatzinfinitivs nicht gestattet. Da ein optionaler Gebrauch des Ersatzinfinitivs aber gegen die Regeln der Optimalitätstheorie verstößt, die besagen, dass es nur einen optionalen Kandidaten geben kann der grammatisch ist, muss dafür eine Lösung gefunden werden. Diese findet sich in der Beschränkungskopplung. Die Kopplung ermöglicht durch eine Auflösung derselben in partielle Beschränkungshierarchien, eine Aussage zum jeweils optimalen Kandidaten. In dem Beispiel: dass sie ihn das Lied …:
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… [singen hören] hat
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… hat [singen hören]
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… [singen gehört] hat
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… hat [singen gehört]
sind sowohl b als auch c grammatisch korrekt. Durch die Vertauschung der Beschränkungen PROJ-P und ge-PV-END kann für die jeweilige Beschränkungshierarchie der optimale Kandidat ermittelt werden. In der partiellen Beschränkungshierarchie PROJ-P >> ge-PV-END ist dieser c, in ge-PV-END ist dies b. In einer globalen Kopplung werden diese beiden Beschränkungen zusammengefügt und so beide grammatisch korrekten Kandidaten ermittelt.
Datum: 15. Januar 2008
Thema: Optimalitätstheorie und Ersatzinfinitiv
Referat: Stefan Harm / Frauke-Maria Spannbauer
Protokoll II: Andrea Zahn
Die Optimalitätstheorie (OT)
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Diese Theorie ist zunächst hilfreich und wichtig, um den Ersatzinfinitiv erklären zu können. Entwickelt wurde sie 1993 als neueres theoretisches Modell der Linguistik von Alan Prince und Paul Smolensky. Sie ist eine Grammatiktheorie, die verschiedene Kandidaten bezüglich ihrer Optimalität miteinander vergleicht und dabei keine Regeln verwendet, sondern Beschränkungen (Constraints) aufstellt. Es existieren zwei Arten von Constraints: die Markiertheitsbeschränkungen (z.B. keine stimmhaften Obstruenten in der Coda bzw. Auslautverhärtung = *voiced coda), die bestimmte syntaktische Konfigurationen fordern, und die Treuebeschränkungen (z.B. Beibehalten der linearen Anordnung = Ident-IO), die eine größtmögliche Übereinstimmung zwischen Inputs und Outputs der Kandidaten verlangen. Dabei sind Inputs bedeutungstragende Wörter eines Satzes wie sie in einer Sprache vorkommen können, wie z.B. /Lampe/. Outputs aber sind die sinnvollsten möglichen grammatischen Lösungen. Markiertheitsbeschränkungen beziehen sich nur auf die Output-Formen, indem sie die Form der Output-Kandidaten evaluieren und bestimmte strukturelle Gestalten bevorzugen. Dabei sollen tendenziell nur unmarkierte Outputs vorkommen (Lampe statt Lambe). Im Gegensatz zu dem auf Regeln basierenden sprachspezifischen Modell kommt diese Methode mit den Widersprüchen einer Sprache besser zurecht, denn Beschränkungen finden sich in jeder Sprache, aber je nach Sprache kann eine Beschränkung einen unterschiedlichen Stellenwert haben. Man untersucht also nicht die Regelverletzung an sich, sondern in wie weit eine Regel verletzt wurde. Dies funktioniert, da von einer Constrainthierarchie und einem Constraintranking ausgegangen wird. Ein Constraint A dominiert den Constraint B, aber schon in einer anderen Sprache kann B über A (B>>A) dominieren, was wiederum von der Eigenschaft und den Phänomenen jeder Sprache abhängt. Jeder Input hat beliebig viele Outputs und aus diesen wird der Optimale gesucht, der möglichst wenige Constraints verletzt und die grammatisch richtige Lösung ist. Constraints können also auch von optimalen Output-Kandidaten verletzt werden, aber nur, wenn sie von einem anderen Constraint dominiert werden. Der optimale Kandidat darf den höchsten Constraint demnach nicht verletzen, wenn andere Kandidaten ihn verletzen bzw. muss er ihn dann mindestens einmal weniger verletzen. In den Tabellen, die von links nach rechts gelesen die Constrainthierarchie vom höchsten zum niedrigsten aufführen, wird dieses Verfahren veranschaulicht und durchgeführt. Fatale Verletzungen (!) zeigen an, dass ein Kandidat öfters oder als einziges gegenüber anderen einen Constraint oder sogar schon den höchsten Constraint verletzt hat und nicht mehr optimal sein kann.
Der Ersatzinfinitiv (EI)
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Dieses Phänomen, dass ein Infinitiv das sonst ungrammatische Partizip II ersetzt (repariert), wenn ein Verb im Perfekt oder Plusquamperfekt einen weiteren Infinitiv einbezieht, ist von den Verben abhängig. So ist sein Auftreten z.B. bei den Durativen unmöglich, bei den Perzeptionsverben optional und bei Modalverben obligatorisch. Der EI ändert die Stellung der Verben, vor allem der Hilfsverben. Dass ein Verb mit Status III durch irgendeine Beschränkung statt dem Partizip II den EI verlangt, kann durch die OT verdeutlicht werden. Die Treuebeschränkung wäre dann das Projektionsprinzip (PROJ-P) und gibt die Einhaltung der Subkategorisierungseigenschaften lexikalischer Elemente vor (=Valenz). Das Partizip II- Präfix "ge-" ist mit dem untersten phonetisch realisierbaren Verbstamm einer Verbkette verbunden und dies ist die Markiertheitsbeschränkung ge-END. Im Beispiel "dass sie das gewollt hat" c-kommandiert "hat" als Kopf der VP den Kopf "gewollt" seines verbalen Komplements (VPk). Die Stellung der Verben wird festgelegt durch strukturelle Wohlgeformtheitsbedingungen, wie z.B. KOMPL-LK (die Basisposition eines Komplements steht links von der Basisposition seines Kopfes) und KOMPL-RT (rechts vom Kopf). Dabei ergibt sich schon der Widerspruch zwischen KOMPL-LK und KOMPL-RT. Doch es existiert auch die lokale Konjunktion (KOMPL_RT &w PROJ-P), die zwei Beschränkungen verbindet und deren Verletzung natürlich schwerer wiegt, da die Merkmalskombinationen in der Grammatik immer wichtig sind. Die Verletzung beider Beschränkungen durch ein und dasselbe Wort ist verboten. Partielle Beschränkungshierarchien stellen eine begründete Auswahl aus dem gesamten Inventar an Beschränkungshierarchien dar. Die Optionalität bei den Perzeptionsverben und Benefaktiven besagt, dass sowohl der EI als auch das Partizip II grammatisch und richtig ist. Auch das wäre ein Widerspruch in der OT, die ja nur von einem optimalen Kandidaten ausgeht, wenn es nicht eine besondere global hierarchische Beschränkungskopplung gäbe. Dadurch können die Kandidaten unterhalb der globalen Kopplung an den Beschränkungen wieder unterschieden werden. Um den optimalen Kandidaten zu ermitteln löst man die Kopplung in Beschränkungshierarchien auf (A<>B -> B>>A, A>>B). In einer Kopplung stehen folglich 2 Regeln auf dem gleichen Rang und sind beide optimal. Bei der OT können aber auch niedrigere Constraints entscheidend sein, was auch dafür spricht, dass jede Sprache sich ihre Hierarchie zurecht ordnen wird, um die OT effektiv zu nutzen. Diese Methode ist sicher noch nicht optimal anwendbar für alle Probleme und Phänomene einer Sprache, aber sie ist durchaus gut geeignet, um die feinen Qualitätsunterschiede und Merkmale einer Sprache zu erkennen und zu verdeutlichen.
Datum: 15. Januar 2008
Thema: Optimalitätstheorie und Ersatzinfinitiv
Referat: Stefan Harm / Frauke-Maria Spannbauer
Protokoll III: Oliver Glaß
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Die heutige Sitzung verfolgte zwei Ziele. Einerseits wollten wir die deutsche Sprache anhand des Ersatzinfinitivs noch besser verstehen und andererseits eine neue Methode, die Optimalitätstheorie kennen lernen. Letztere stammt aus der Phonologie und hat es sich zum Ziel gemacht, mittels Beschränkungen (constraints) den optimalen Kandidat mit Hilfe eines Kriterienrasters zu finden. Diese Constraints sind für alle Sprachen universell anwendbar, unterliegen jedoch jeweils anderen Hierarchien. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Treuebeschränkungen (z.B.: lineare Anordnung) und Markiertheitsbeschränkungen (z.B.: Auslautverhärtung). Im Kriterienraster wird nun das zu überprüfende Wort eingefügt (Input) und anhand der Constraints werden die verschiedenen Outputs (Kandidaten) überprüft. Kommt es zur Verletzung einer Beschränkung, wird ein Sternchen eingefügt. Je nach dem, an welcher Stelle der Hierarchie die Verletzung auftritt, kann sie als "fatal" eingestuft werden und somit ausgeschlossen werden (Zusatzmarkierung: Ausrufezeichen). So kommt es vor, dass auch der optimale Kandidat Beschränkungen verletzen kann, ohne ausgeschlossen zu werden. Die Theorie ist damit in der Lage, die widersprüchlichen Anforderungen der Sprache zu bewältigen.
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Der Ersatzinfinitiv ist ein Reparaturphänomen der deutschen Sprache, bei der an Stelle eines Partizips II ein weiterer Infinitiv eingebettet wird, wenn die Partiziplösung noch ungrammatischer wäre. Diese Lösungen lassen sich durch die Kategorien "obligatorisch" (Kausative, Modalverben), "optional" (Perzeptionsverben, Benefikative) und "unmöglich" (Durative, Inchoative, Kontrollverben) beschreiben.
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Diese Phänomene können nun mittels der Optimalitätstheorie erfasst werden, die damit auch auf grammatisch-syntaktischer Ebene angewandt wird. Natürlich müssen dafür die Beschränkungen modifiziert werden. Eine Treuebeschränkung wäre beispielsweise das Projektionsprinzip (PROJ-P), welches der Valenz entspricht. Bei den Markiertheitsbeschränkungen kommt es nun zu einzelnen Subhierarchien, die eine Familie von Beschreibungen darstellen. Zusätzlich kommen noch strukturelle Wohlgeformtheitsbdingungen hinzu z.B. KOMPL-LK (die Basisposition eines Komplements steht links von der Basisposition seines Kopfes). Diese scheint jedoch im Widerspruch zur entgegengesetzten KOMPL-RK zu stehen. Dieser kann jedoch mit Hilfe einer lokalen Konjunktion vermieden werden, da die Verletzung der Beschränkungen durch das selbe Wort verboten ist. Ein weiterer Widerspruch scheint mit der Ersatzinfinitivkategorie "optional" zu entstehen, da die Optimalitätstheorie eigentlich nur einen Kandidaten, als optimal zulässt. Dieser wird mit einer global hierarchischen Kopplung der Beschränkungen gelöst, bei der zwei Beschränkungen unter einer Kategorie zusammengefasst werden.
Datum: 22. Januar 2008
Thema: Passivvarianten
Referat: Anne Röser / Tanja Begemann
Protokoll I: Manuela Glück / Dorisz Savanyu
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Die vergangene Sitzung beschäftigte sich mit dem Thema Passivvarianten des Deutschen.
Zunächst wurde zwischen persönlichem und unpersönlichem Passiv unterschieden: das persönliche Passiv ist subjekthaltig (Das Auto wurde vom Mechaniker repariert.), während das unpersönliche Passiv subjektlos ist (Hier wird von allen fleißig gearbeitet.). Weiterhin kann zwischen Vorgangs-Passiv (werden-Passiv) und Zustandspassiv (sein-Passiv) unterschieden werden.
Vorgangspassiv
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Beim Vorgangspassiv steht der Vorgang, die Handlung oder das Geschehen im Vordergrund. Es wird aus den flektierten Formen des Hilfsverbs werden und dem Partizip II des Hauptverbs gebildet. Einige dieser Formen sind jedoch zweideutig und können leicht mit dem Futur I verwechselt werden (Sie werden vergessen.). Verben, die kein Agenssubjekt haben, sind nicht passivfähig (Das Kind liegt im Bett.).
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Als nächstes wurden ein-, zwei- und dreigliedrige Passivkonstruktionen näher betrachtet: eingliederige Passivkonstruktionen bestehen aus dem Platzhalter es und einem verbalen Glied (Es wird getanzt), zweigliedrige Passivkonstruktionen aus einem verbalen Glied und dem Patiens im Nominativ (Er wird gelobt). Dreigliedrige Passivkonstruktionen enthalten ein verbales Glied, das Patiens im Nominativ und ein Agens (Er wird vom Lehrer gelobt).
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An einem Beispiel (Der Lehrer schenkt dem Schüler das Buch) wurde gezeigt, dass im Aktiv Agens und Subjekt übereinstimmen, während im Passiv (Das Buch wird dem Schüler vom Lehrer geschenkt) keine Übereinstimmung vorliegt.
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Anschließend wurden 4 Typen des Vorgangspassivs vorgestellt und an Beispielen erklärt:
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Typ 1: zwei-, drei oder viergliedriges Vorgangspassiv bei transitiven Verben
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Aktiv: Der Lehrer schenkt (dem Schüler) die Bücher.
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Passiv: Die Bücher werden (dem Schüler) (vom Lehrer) geschenkt.
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Typ 2: zwei-, dreigliedriges Vorgangspassiv bei multivalenten intransitiven Verben
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Aktiv: Wir helfen dem Lehrer.
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Passiv: Dem Lehrer wird von uns geholfen.
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Typ 3: zweigliedriges Vorgangspassiv bei monovalenten intransitiven Verben mit bestimmt-persönlichem Agens
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Aktiv: Er tanzt.
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Passiv: Es wird von ihm getanzt.
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Typ 4: eingliedriges Vorgangspassiv bei monovalenten intransitiven Verben mit unbestimmt-persönlichem Agens
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Aktiv: Man tanzt.
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Passiv: Es wird getanzt.
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Wenn im Passivsatz das Agens genannt werden soll, so wird es mit den Präpositionen von, durch und mit angeschlossen. (Dresden wurde von / durch / mit Bomben zerstört.). Ein Bedeutungsunterschied wird dabei kaum deutlich.
Dann wurden einige "Konkurrenz-Konstruktionen" zum Passiv besprochen: u.a. die Konstruktion mit sein + zu + Inf. (Das Buch ist nicht zu verkaufen.) und die Konstruktion mit es gibt + zu + Inf. (Es gibt viel zu arbeiten.).
Zustandspassiv
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Das Zustandspassiv wird immer über das Vorgangspassiv abgeleitet; d.h. wenn es kein Vorgangspassiv gibt, kann auch kein Zustandspassiv gebildet werden.
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Gebildet wird das Zustandspassiv aus den konjugierten Formen des Hilfsverbs sein und dem Partizip II des Vollverbs. Es drückt einen Zustand als Resultat eines vorangegangenen Prozesses aus; es ist nicht-agenszugewandt und nicht-prozessual. Das Akkusativobjekt des Aktivsatzes wird zum Subjekt des Passivsatzes, während das Subjekt des Aktivsatzes in der Regel nicht angezeigt wird.
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Weiterhin ist auffällig, dass nicht alle Zeitformen des Zustandspassivs gleichhäufig verwendet werden: Perfekt und Plusquamperfekt werden durch das Präteritum ersetzt (Ich bin geimpft gewesen. / Ich war geimpft gewesen. → Ich war geimpft.). Das Futur I wird durch das Präsens (Ich werde geimpft sein. → Ich bin geimpft.) und das Futur II durch das Perfekt ersetzt (Ich werde geimpft gewesen sein. → Ich bin geimpft gewesen.).
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Das Zustandspassiv kann außerdem mit anderen grammatischen Formen, wie dem adjektivischen Prädikativ, verwechselt werden. Im Unterschied zum Zustandspassiv kann aber das adjektivische Prädikativ weder auf eine Präsensform noch auf das Vorgangspassiv zurückgeführt werden. (Der Junge ist begabt.)
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Verwechslungsgefahr aufgrund formaler Übereinstimmung besteht auch zwischen Zustandspassiv und Perfekt aktiv. Allerdings lässt sich das Perfekt aktiv auf eine Präsensform, das Zustandspassiv aber auf das Vorgangspassiv zurückführen, womit eine Unterscheidung möglich ist. (Die Frucht ist gereift.)
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Vom Zustandsreflexiv kann das Zustandspassiv nur unterschieden werden, weil ersteres sich auf eine reflexive Konstruktion zurückführen lässt. (Das Mädchen ist verliebt.)
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Das Zustandspassiv setzt immer die Möglichkeit eines entsprechenden Vorgangspassivs voraus, kann aber nicht von allen Verben gebildet werden, die ein Vorgangspassiv bilden können. Das Zustandspassiv kann von intransitiven Verben, reflexiven Verben, Mittelverben (z.B. bekommen, haben, kosten) oder Verben, die ihre Vergangenheitsform mit sein bilden, nicht gebildet werden. (Die Frau wird bewundert. aber *Die Frau ist bewundert.)
Bekommen-Passiv
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Das bekommen-Passiv (auch Rezipientenpassiv oder Adressatenpassiv genannt) wird aus den Hilfsverben bekommen / erhalten / kriegen und dem Partizip II gebildet. Wenn das Subjekt des Aktivsatzes im Passiv erscheint, so wird es mit von angeschlossen. Das Dativobjekt wird zum Subjekt im Passiv und das Akkusativobjekt bleibt unverändert. (Sie erklärte ihm den Weg. → Er bekam den Weg von ihr erklärt.)
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Da die Hilfsverben bekommen / erhalten / kriegen noch über relativ viel eigene Semantik verfügen, können sie nicht mit Verben kombiniert werden, die dieser Semantik widersprechen. (*Peter erhielt das Fahrrad gestohlen.)
Datum: 29. Januar 2008
Thema: Partizipgruppen und Relativsatz; absolute Partizipien; Kategorisierungsprobleme
Referat: Andrea Zahn / Oliver Glaß
Protokoll I: Anna Wagner
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Das Thema der vergangenen Sitzung war Partizipien, Relativsätze und Kategorisierungsprobleme. Der erste Teil der Sitzung befasste sich mit den Partizipien im Deutschen. Partizipien sind Verbaladjektive, da sie sowohl nominale als auch verbale Eigenschaften haben. An der Eigenschaft steigerbar kann man feststellen, wie sehr ein Partizip schon lexikalisiert ist, d.h. wie selbstständig und unabhängig vom Verb es schon ist (ein treffender Witz; der treffendere Witz; der treffendste Witz – ABER: die treffende Schützin; *die treffendste Schützin). Nicht-akkusativische Verben (vor allem Bewegungsverben) können nur erweitert attributiv gebraucht werden (*das geflatterte Papier – ABER: das auf den Tisch geflatterte Papier; *die geschwommene Studentin – ABER: die über den See geschwommene Studentin).
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Partizipialkonstruktionen sind satz(glied)wertige Infinitivgruppen, die durch entsprechende vollständige Nebensätze paraphrasiert werden können (Unter Drogeneinfluss stehend, konnte er sich nicht erinnern; Weil er unter Drogeneinfluss stand, konnte er sich nicht erinnern.)
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Im Anschluss ging es um Relativsätze im Sprachvergleich, dabei wurde festgestellt, dass es strukturelle Gemeinsamkeiten zu attributiven Partizipialen gibt. Man kann diese Partizipiale alternativ zum Relativsatz verwenden (das an der Ecke stehende Blumenmädchen; das Mädchen, das an der Ecke steht). Danach wurde auf die restriktive oder nicht-restriktive Eigenschaft eines Relativsatzes eingegangen. Restriktiv bedeutet einschränkend, d.h. mit einem Relativsatz kann man die Menge der möglichen Referenten begrenzen. Deutlich kennzeichnen kann man dies durch das Demonstrativpronomen dasjenige (Hier ist das Buch, das du haben wolltest; Hier ist dasjenige Buch, das du haben wolltest).
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Danach ging die Referentin auf Partizipien im Türkischen ein, wobei die türkische Sprache zunächst ganz allgemein als agglutinierende Sprache beschrieben wurde. Hier werden Morpheme mit bedeutungstragenden Merkmalen aneinander gereiht. Die Partizipien tragen hier vielmehr Merkmale als im Deutschen, außerdem gibt es Relativsätze ohne Nomen.
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Im nächsten Schritt wurden die Partizipien im Lateinischen betrachtet. Im Lateinischen gibt es PPA, PPP und PFA, sie haben bestimmte Eigenschaften, vor allem drücken sie aber unterschiedliche Zeitverhältnisse in Bezug auf das finite Verb aus. Im Lateinischen gibt es noch eine besondere Konstruktion, das PC (participium coniunctum). Dabei steht das Partizip mit seinem Bezugswort in KNG (Kasus, Numerus, Genus) -Kongruenz (latrones domos diripientes a civibus capti sunt: Als die Räuber die Häuser zerstört haben, wurden sie von den Bürgern gefasst). Für das PC gibt es fünf verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten: adjektivisch, mit Relativsatz, mit Nebensatz, mit Hauptsatz oder präpositional. Außerdem gibt es den so genannten Ablativus absolutus (abl. abs.), diese Konstruktion ist losgelöst vom Restsatz und besteht aus einem Nomen und einem Partizip im Ablativ (Troiâ deletâ graeci in patriam navigaverunt: Nachdem Troia zerstört worden war, fuhren die Griechen in die Heimat). [Längezeichen aus technischen Gründen durch Zirkumflex ersetzt]
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Auch im Englischen gibt es solche absoluten Partizipkonstruktionen meistens im Zusammenhang mit der Präposition with.
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Im letzten Teil der Sitzung ging es um das Kategorisierungsproblem. Dabei geht es um die Schwierigkeit der Einordnung der Partizipien. Dafür muss man zuerst entscheiden, ob ein Partizip aktivisch oder passivisch ist. Passiv- Partizipien können adjektivisch gebraucht werden, zur Einordnung kann die un-Probe helfen. Kann ein Partizip mit un- präfigiert werden, ist es adjektivisch gebraucht. Dazu gab es eine Übung, die zeigte, dass nicht jedes Beispiel eindeutig ist. In bestimmten Kontexten kann ein Partizip sowohl verbal als auch adjektivisch gebraucht sein (das von Maja bepflanzte Beet; ?das von Maja unbepflanzte Beet; das von Maja noch unbepflanzte Beet). Die Partizipien können auch mit der Prototypentheorie kategorisiert werden.
Datum: 29. Januar 2008
Thema: Partizipgruppen und Relativsatz; absolute Partizipien; Kategorisierungsprobleme
Referat: Andrea Zahn / Oliver Glaß
Protokoll II: M. Kosova
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Die Referenten befassten sich mit verschiedenen Arten von Partizipien.
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Zu Beginn der Sitzung wurden die Eigenschaften der deutschen Partizipien wiederholt. Diese besitzen sowohl nominale (Erweiterung durch regierte Objekte), als auch verbale Eigenschaften (Tempus und Aspekt). Man unterscheidet zwischen zwei Klassen von Partizipien – Partizip I, das fürs Präsens steht und Verlauf eines Prozesses oder Notwendigkeit bezeichnet (der letzte Fall, d.h. "zu-Partizipien", korellieren mit dem lateinischen Gerundivum) und Partizip II, das Perfekt, Ergebnis bzw. Nachwirkung des Prozesses bezeichnet.
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Weiter wurden nominale Eigenschaften der Partizipien erwähnt – Steigbarkeit (hochbegabt), Fähigkeit Antonyme und Zusammensetzungen zu bilden, sowie attributiver und prädikativer Gebrauch (ein treffender Witz – der Witz war treffend). An dieser Stelle wurde jedoch von Prof. Gallmann bemerkt, dass der letzte Punkt streitbar ist. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Partizipien solche nominale Eigenschaften nur haben, wenn sie schon vom Verb entfernt sind (vgl.: treffender Witz – treffender Junge).
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Danach wurde auf die Anwendung von Partizipien eingegangen. Es gibt drei Gebrauchsmöglichkeiten:
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Infinitiv + Partizip II (Er ist liegen geblieben);
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Passivvarianten, darunter Zustandspassiv (Die Tür ist gestrichen). Dabei ist kein verbaler Ursprung des Partizips mehr erkennbar;
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Attributives Partizip bei transitiven Verben mit passivischer Bedeutung. Die Grammatikalität solcher Konstruktionen lässt sich mit Hilfe des Tests prüfen, bei dem das Partizip durch den entsprechenden Relativsatz ersetzt wird (das reparierte Auto – das Auto, das repariert wurde). Nichtakkusativische Verben können Partizipien nur mit Adverbialen bilden. So wäre die Phrase "die sich beruhigten Gemüter" ungrammatisch. Die Abstimmung unter den anwesenden Studenten hat jedoch gezeigt, dass manche Konstruktionen von bestimmten Muttersprachlern als grammatisch angesehen werden.
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Außerdem werden Partizipien in Partizipialkonstruktionen gebraucht, wo sie die semantische Funktion von Temporal-, Modal- und Kausalangaben haben. Solche Konstruktionen können durch entsprechende Nebensätze ersetzt werden (Durch vielfältige Versuche entmutigt, kehrte er um. – Da er durch vielfältige Versuche entmutigt war, kehrte er um.)
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Weiter wurden Relativsätze behandelt. Sie werden durch Relativpronomen eingeleitet, können sich auf alle Satzglieder außer Prädikat beziehen und weisen strukturelle Gemeinsamkeiten zum attributiven Partizipial auf. Man unterscheidet zwischen restriktiven und nicht-restriktiven Relativsätzen. Die ersten bezeichnen eine Einschränkung, d.h. beschränken die Zahl der Referenten, auf die sich der Hauptsatz bezieht (Hier ist das Buch, das du gesucht hast). Die zweite Gruppe, die nicht-restriktiven Relativsätze, dienen der genaueren Erklärung des Referenten und schränken ihn nicht ein (Napoleon, der große Verluste trug, musste sein Ziel aufgeben). Im Anschluss wurde das Relativpartizip erwähnt, das einem Relativsatz mit unflektiertem Verb entspricht. Es kommt vor allem in kleinen dravidischen Sprachen vor.
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Weiter erläuterte die Referentin den Gebrauch des Partizips im Türkischen. Türkisch gehört zu agglutinierenden Sprachen, d.h. jedem grammatischen Merkmal entspricht ein entsprechendes Suffix. Das wurde mit vielen Beispielen illustriert, wobei die Aufgabe bestand, anhand von grammatischen und lexikalischen Bedeutungen den Satzsinn zu erschließen und einen entsprechenden vollständigen deutschen Satz zu bilden.
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Danach ging die Referentin zur Latein über. Für die Partizipien dieser Sprache sind die Zeitverhältnisse zwischen dem Partizip und dem Prädikat entscheidend. Man unterscheidet zwischen Gleichzeitigkeit, Vorzeitigkeit und Nachzeitigkeit, die grammatisch markiert sind. Die Übung half, diese zu unterscheiden und die Sätze richtig zu interpretieren.
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Der nächste Referent befasste sich mit Problemen der Kategorisierung deutscher Verben nach B. Lenz. Diese Probleme sind damit verbunden, dass Partizipien in einem Spannungsfeld zwischen Adjektiv und Verb stehen. Schwierigkeiten bereitet vor allem der Unterschied zwischen aktivischen und passivischen Adjektiven. Aktiv sind Partizipien II, die mit dem Hilfsverb "haben" gebildet werden, und alle Partizipien I. Passivisch dagegen sind Partizipien, die von transitiven Verben mit "werden" oder "sein" gebildet werden. Bei dem letzten Fall handelt es sich um Zustandspassiv.
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Im Unterschied zu Passiv-Partizipien können Aktiv-Partizipien grundsätzlich nicht prädikativ gebraucht werden. Ein Satz wie "Das Kind ist spielend" ist demnach ungrammatisch. Eine Ausnahme bilden lexikalisierte Adjektivformen wie "Diese Lösung ist befriedigend". Passiv-Partizipien können in der Regel adjektivisch verwendet werden. Ob wir in einem konkreten Fall mit einem adjektivischen oder verbalen Gebrauch zu tun haben, lässt sich mit Hilfe der "un-Probe" feststellen. Führt die Hinzufügung von "un-" zu einer grammatischen Form, so handelt es sich um eine adjektivische Verwendung (eine gewürzte Speise – eine ungewürzte Speise). Bei verbalen Partizipien ist das unmöglich (eine Speise wird gewürzt – eine Speise wird ungewürzt). Dem Unterschied zwischen verbaler und adjektivischer Verwendung war die Übung gewidmet. Die Übung zeigte, dass die Formen in manchen Fällen ambig sind ("Das Bett ist unbepflanzt" ist ein grammatischer Satz und zeugt vom adjektivischen Gebrauch, jedoch ist der Satz "Das Bett ist bepflanzt worden" auch grammatisch).
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Dieses Problem zu lösen, hilft die Prototypentheorie von Eleanor Rosch. Laut dieser Theorie, ordnen die Menschen kognitive Kategorien durch zentrale und durch periphere Instanzen zu. Die Theorie lässt sich auch auf das Thema der Sitzung anwenden, wenn man als Bestimmungskriterium die "Zeitstabilität" nimmt. Ein prototypisches Nomen ist demnach zeitstabil, ein prototypisches Verb dagegen zeitlich instabil, oder kinetisch. Das Adjektiv ist auf dem Schema zwischen Nomen und Verb platziert, das Partizip – zwischen Adjektiv und Verb. Im jeweiligen Kontext kann ein Partizip entweder dem Adjektiv oder dem Verb näher stehen.
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Mit der Erklärung der entsprechenden Übung wurde die Sitzung abgeschlossen.
Datum: 29. Januar 2008
Thema: Partizipgruppen und Relativsatz; absolute Partizipien; Kategorisierungsprobleme
Referat: Andrea Zahn / Oliver Glaß
Protokoll III: Beatrice Kleiber
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Nachdem einführend das Protokoll der vorangegangenen Sitzung verlesen worden war, erläuterte Herr Gallmann noch einige typografische Besonderheiten des Textverarbeitungsprogrammes Word., welche in der Hausarbeit Anwendung finden sollten. Im anschließenden Referat standen die Partizipien im Deutschen und deren Beziehung zum Relativsatz im Mittelpunkt der Ausführungen. Hierbei wurde ein Sprachvergleich zwischen der türkischen, lateinischen, englischen und deutschen Sprache angestrebt. Ebenso wurden die Probleme der Kategorisierung deutscher Partizipien durch die Referenten erörtert.
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Ein Partizip oder Verbaladjektiv hat "Teilhabe" an nominalen und verbalen Eigenschaften. Nominale Eigenschaften können zum Beispiel die Fähigkeit zur Steigerung, die Bildung von Antonymen und Zusammensetzungen sowie der attributive und prädikative Gebrauch des Verbaladjektivs sein. In diesem Zusammenhang erläuterte Herr Gallmann die zu beobachtende Verselbständigung von Partizipien in der deutschen Sprachgeschichte. So kann ein Partizip umso besser gesteigert werden, desto weiter es vom Verb entfernt und somit verselbstständigt ist. Als gegensätzliches Beispiel gab er folgende Nominalphrasen an: der von der Polizei gesuchte Mörder und die versalzene Suppe. In der zweiten NP ist das Partizip versalzene steigerbar, da sich hier das Partizip verselbstständigt hat.
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Wir unterscheiden im Deutschen zwischen Partizip I (z.B. liebend) und Partizip II (z.B. geliebt). Die Verbaladjektive finden ihre Anwendung in der deutschen Sprache als sogenannte Ersatzinfinitive (Infinitiv + Partizip II), in Passivvarianten und als attributive Partizipien. Ebenso sind Partizipialkonstruktionen ein Bestandteil der deutschen Sprache. Sie bestehen aus einer satzgliedwertigen Infinitivgruppe in Form eines erweiterten Partizips und werden prädikativ verwendet. Als Beispiel führte die Referentin den folgenden Satz an: Durch vielfältige Versuche entmutigt, kehrte sie um.
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Im Anschluss daran wurden die Beziehungen des Partizips zum Relativsatz sowie das Relativpartizip näher beleuchtet. Der Relativ- oder Adjektivsatz wird eingeleitet durch ein Relativpronomen bzw. Relativadverb und ist je nach semantischer und pragmatischer Funktion restriktiv (Beschränkung auf bestimmte Objekte z.B. das Buch, das ich gelesen hatte) oder nicht-restriktiv (Napoleon, der auf Korsika geboren worden war, wurde nach Elba verbannt). Beim Relativpartizip, welches im deutschen Sprachgebrauch nur als sekundäre Strategie verwendet wird, steht ein Partizip anstelle eines Relativsatzes.
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Zusammenfassend für diesen Abschnitt kann also Folgendes festgehalten werden:
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Partizipien und Relativsätze können kaum grundsätzlich auseinandergehalten werden. Die Unterschiede werden lediglich bei Nominalisierungen und Verfahren wie zum Beispiel der Diathese, bei dem der Relativsatz ins Passiv gewandelt wird, deutlich. zur Erweiterung machen somit dem Adjektivsatz Konkurrenz.
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Das Partizip leistet dasselbe wie ein finiter Relativsatz. Die attributiven Eigenschaften und die Fähigkeit [???]
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Einen großen Teil des Referats nahm der Sprachvergleich in Bezug auf die Partizipien zwischen der türkischen, deutschen, lateinischen und englischen Sprache ein, wobei die englische Sprache aus Zeitgründen weggelassen werden musste.
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Türkisch: Die türkische Sprache zeichnet sich durch eine rigide Verbendstellung (SOV) sowie durch eine agglutinierende Morphologie, wobei jedes Morphem mit einem Bedeutungsträger versehen wird, aus. Somit verfolgt die türkische Sprache im Vergleich mit der deutschen einen logischen Aufbau nach einem Baukastensystem. Beispiel
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ev (Haus) ler (Plural) in(Kasus)
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geben adam = kommender Mann
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(komm)- Part. Mann
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Latein: In der lateinischen Sprache findet man das PPA (Partizip Präsens Aktiv), das PPP (Partizip Perfekt Passiv) und das PFA (Partizip Futur Aktiv). Mit ihnen können die Zeitverhältnisse zum übergeordneten Verb ausgedrückt werden. Im Lateinischen lassen sich somit vermehrt Partizipialkonstruktionen finden, wie zum Beispiel das Participium coniunctum (PC) und der Ablativus absolutus (Abl. abs). Solche Partizipialkonstruktionen können auf teilweise fünf verschiedenen Wegen ins Deutsche übertragen werden.
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Im Anschluss an den Sprachvergleich ging der Referent auf die Probleme der Kategorisierung deutscher Partizipien ein. Er stützte sich hierbei auf die Ausführungen von Barbara Lenz. Man geht davon aus, dass sich Partizipien im Deutschen einer klaren Wortartdifferenzierung entziehen, da sie im Spannungsfeld zwischen Verb und Adjektiv agieren. Vor allem aber das Partizip II kann nur anhand eines Hilfsverbes als aktivisch oder passivisch identifiziert werden, wogegen das Partizip I immer aktivisch ist. So können Aktiv Partizipien grundsätzlich nicht adjektivisch verwendet werden (Bsp.: das Kind ist spielend) und die Passiv-Partizipien sind können sowohl adjektivische als auch verbale Eigenschaften aufweisen (Bsp.: das Beet ist von Maja bepflanzt), somit lassen sich diese Partizipien nicht so einfach generalisieren. Der Referent stellte zur Lösung dieses Problems die sogenannte "Prototypentheorie" als sinnvollste Möglichkeit vor. Diese ist in der Lage auch Graustufen zu erfassen und periphere Instanzen zuzulassen. Ein prototypisches Nomen, wie zum Beispiel Pferd ist hierbei stabil, berührbar und zeitstabil, wobei ein prototypisches Verb, wie zum Beispiel laufen eine konkrete, kinetische, sichtbare, effektive, durch Partizipanten ausgeführte zeitinstabile Handlung darstellt. Unter der Zuhilfenahme des Bestimmungskriteriums der Zeitstabilität ergibt sich somit folgendes Schema für die Partizipien: [Schema aus technischen Gründen weggelassen]
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Aus dem Schema lässt sich erkennen, dass Partizipien weder prototypische Verben, noch prototypische Adjektive darstellen, da sie im jeweiligen Kontext je einem der Typen näher stehen. Des Weiteren ergeben sich folgende kontextuelle Kriterien zur Einordnung:
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Passiv-Partizipien, die mit "un-" präfigierbar sind, lassen sich weit im adjektivischen Bereich einordnen.
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Passiv-Partizipien mit dem Hilfsverb werden lassen sich ganz in der Nähe des Prototyps Verb einordnen.
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Passiv-Partizipien ohne Ergänzungen sind ambig d.h. sie sind entweder verbal oder adjektivisch.
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Passiv-Partizipien, welche sowohl mit "un-" präfigierbar, als auch mit einem agentivischen Argument und/oder werden gebildet werden, befinden sich gleichzeitig an zwei auseinanderliegenden Punkten.
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Aus zeittechnischen Gründen wurde die zweite Übung als Hausaufgabe aufgegeben und deren Kontrolle auf den Anfang der nächsten Seminarsitzung verlegt. Der Referent gab noch folgende Hilfestellung zur Lösung der Aufgaben: [Schema aus technischen Gründen weggelassen]
Datum: 05. Februar 2008
Thema: Der Imperativ als halbfinite Verbform
Referat: Susanne Sodan / Anika Golz
Protokoll I: Nadine Günschmann
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Um in das Thema: "Der Imperativ als halbfinite Verbform" überzuleiten, nahm die Referentin zunächst eine allgemeine Bestimmung des Imperativs vor und ging dabei auf Modus, Flexionsmorphologie und Syntax ein. Es wurde gesagt, dass der Imperativ eine sogenannte deontische Modalität aufweist, wobei mögliche oder notwendige Sachverhalte in die Existenz überführt werden sollen. Der Imperativ selbst drückt eine direktive Relation zu einer Handlung in der Zukunft aus, womit durch die Äußerung des Imperativs der Wunsch des Sprechers mit der Welt in Einklang gebracht werden soll.
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Bezüglich der Flexionsmorphologie weist der Imperativ nur zwei äußerst schwach spezifizierte Merkmale auf. So ist er lediglich in der zweiten Person Singular und Plural aufzufinden. Bestimmte Imperativformen, so die Referentin, gibt es nur im Singular, diese sind dann identisch mit dem Verbstamm oder haben die Endung -e (Bsp.: Komm mit! oder Atme langsam!).Richtet sich der Sprecher allerdings an mehrere Personen, wird die zweite Person Plural des Indikativ Präsens genutzt (Bsp.: Kommt herein! oder Lasst mich in Ruhe!). Oftmals können auch der Infinitiv und das Partizip Perfekt einen Imperativ ausdrücken (Bsp.: Nicht berühren!). Hier wurde darauf hingewiesen, dass dies auch in anderen Sprachen, wie dem Italienischen der Fall ist. Zumeist tritt dieser Umstand bei Negationen auf.
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Schließlich ging die Referentin auf die syntaktischen Merkmale des Imperativs ein. Sie bemerkte, dass das imperativierte Verbelement stets die satzinitiale Position einnimmt und es teilweise möglich ist, den Imperativ als Verb-II.-Satz zu formulieren (Bsp.: Probier den Blumenkohl! versus Den Blumenkohl probier!). Darüber hinaus wurde festgestellt, dass diejenigen sprachlichen Elemente, die dem imperativierten Verb vorausgehen, phonetisch markiert werden müssen. Ein weiteres Merkmal stellt die fehlende Einbettbarkeit von Imperativsätzen dar. Darüber hinaus können sie untergeordnete CPs zu sich nehmen, wie das Beispiel Sag, dass es dir leid tut! zeigt.
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Im Anschluss wurden drei Adaptionsversuche für den Imperativ vorgestellt. Zunächst die Orientierung am Imperativparadigma des Lateinischen. Jede lateinische Imperativform hat ein deutsches Übersetzungsäquivalent. Ausgespart ist lediglich die erste Person Singular, da diese im Lateinischen nicht nachgewiesen werden kann.
Das Lateinische verfügt formal über ein Mischsystem aus flexivisch gekennzeichneten, mit Hilfsverben gebildeten und formell mehrdeutigen Imperativformen.
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Die Referentin wagte nun den Versuch einer morphologischen Bestimmung des Imperativs im deutschen Flexionssystem. Sie bemerkte, dass es vor allem durch Aichinger und Behagel zu einem Umschwung und der Abkehr von der Orientierung am Lateinischen kam. Aichinger brachte einen Einwand gegenüber des Futurs und Kritik an dem Ansetzen eines Imperativ Passiv im Deutschen an. Entscheidend seien schließlich der Sprachgebrauch und die Sprachgewohnheiten und für die Zugehörigkeit zum Imperativ seien nicht mehr die Äquivalenz zum Lateinischen, sondern die Flexionsstruktur im Deutschen von Belang. Durch eine Adaption erfolgt die starke Reduzierung der Imperativformen und verliert die Repräsentativität als Ausdruck für Befehle und Aufforderungen. Daher gibt es, so Behagel, "Ersatzformen", die neben der zweiten Person Singular zur Imperativdarstellung dienen.
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Nun wurde zu den Ansätzen einer Semantisierung des Imperativbegriffs übergeleitet. Diese Semantisierung bezieht sich auf die funktionale Komponente des Imperativbegriffs. Jener sei durch den Fokus auf den Begriff des Befehls zu stark eingeengt. Formen des Imperativs werden danach entschieden, "ob der Partner ein einzelner oder eine Gruppe ist", so Brinkmann. Die morphologische Basis wird vollständig aufgegeben und es entsteht eine Bezeichnungslücke in Bezug auf die Flexionsformen. Außerdem wird sich mitunter auf die Ausdrucksseite konzentriert. In diesem Zusammenhang werden die Formen nach der Intonation charakterisiert.
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Nachdem die Adaptionsversuche dargelegt worden waren, wurde der Imperativ funktional bestimmt. Der Imperativ wird als "Gebietungsweise", "gebietende Art" oder "Befehlsweise" bezeichnet. Neben dem Begriff des Befehls findet man am häufigsten Aufforderung, Wunsch oder Bitte, seltener jedoch: Rat, Warnung, Drohung, Ermahnung, Verbot, Anweisung oder Erlaubnis. Außerdem ist ein Übergang von der Befehlsform zur Aufforderungsform erkennbar, dabei ist die Aufforderung eine Art Überbegriff. Weitere Funktionen sind der konditionale, der narrative oder interjektionale Imperativ, welche Randphänomene bilden.
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Die Aufforderung wird als typische Funktion des Imperativs angesehen, ist allerdings nicht sicher fundiert, sondern beruht auf der Frage danach, was durch die Aufforderung erfasst wird. Die Referentin legte dar, welche 4 Ebenen Searle für die Charakterisierung nutzte:
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Beschränkung der Aufforderungen auf zukünftige Handlungen des Adressaten
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Sprecher glaubt an Ausführbarkeit der Handlung durch Hörer; Adressat handelt nicht aus eigenem Antrieb
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Sprecher wünscht, dass Adressat Handlung ausführt
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Aufforderungen sind Versuche, den Adressaten zur Handlung zu bewegen
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Der Imperativ liefert vier Kombinationsmöglichkeiten: Aufforderung, Rat/Warnung, Angebot/Drohung und Erlaubnis. Jedoch stellt die Aufforderungsfunktion nur einen Teil der Verwendung des Imperativs dar. Er dient ebenso zum Ausdruck von Wünschen. Dabei gilt es zwei Arten zu unterscheiden: Wünsche im Sinne von "sich von jemandem etwas wünschen" und Wünsche im Sinne von " sich für jemanden etwas wünschen". Allerdings kann der Imperativ nicht für "irreale" Wünsche genutzt werden.
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Der konditionale Imperativ kann anstelle eines mit wenn eingeleiteten Nebensatzes und ist in diesem Fall Ausdruck einer Bedingung. Diese Funktion ist jedoch nicht eigenständig, da sie durch andere Funktionen des Imperativs beschrieben werden kann.
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Der narrative Imperativ wird auch als erzählender Imperativ charakterisiert, beinhaltet keine Numerusfestlegung und dient zum stilistischen Einsatz einer Aufforderungsform. Er weist eine enge Verwandtschaft zu lautmalerischen Interjektionen auf (Bsp.: Peng! Wuff).
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Bei dem sogenannten phatischen Imperativ findet eine semantische Entleerung des Verbs und die Konzentration auf eine Redeeröffnung statt. Dazu gehören bestimmte Bewegungsverben, Verben des Hörens und Sehens sowie Verben der geistigen Tätigkeit.
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Nach der funktionalen Bestimmung sollte geklärt werden, wie finit der Imperativ ist. Die Referentin stellte heraus, dass Imperative keine explizite Angabe des Subjekts fordern, es aber hinzugefügt werden kann. Auch seien Imperativsubjekte der dritten Person möglich (Bsp.: Wascht euch alle die Ohren!). Darüber hinaus kann die Hypothese einer prinzipiell besetzten Subjektposition anhand von Satzkonstruktionen gestützt werden, in denen das lexikalisch nicht realisierte Imperativsubjekt eine reflexive Anapher bindet. Außerdem besteht die Möglichkeit, das Imperativsubjekt an der Koordination eines Imperativsatzes festzumachen, welcher Rückwärtsellipsen aufweist.
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Zum Schluss wurde auf die Merkmale des Imperativs bezüglich Person und Numerus eingegangen. Die Referentin stellte fest, dass im Numerus Kongruenz nachgewiesen werden kann, diese zum Subjekt allerdings nicht immer in der Personenkategorie konstatiert werden kann, da auch die dritte Person zum Subjekt werden kann. Der Imperativ kann außerdem teilweise mit dem Infinitiv und Partizip Passiv verwirklicht werden.
Datum: 05. Februar 2008
Thema: Der Imperativ als halbfinite Verbform
Referat: Susanne Sodan / Anika Golz
Protokoll II: Judith Malicke
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Zunächst wurde der Imperativ hinsichtlich Modus, Flexionsmorphologie und Syntax bestimmt. Der Imperativ weist eine deontische Modalität auf: mögliche oder notwendige Sachverhalte sollen in die Existenz überführt werden. Mit Imperativen werden direktive Sprechakte vollzogen. Der Imperativ verfügt, flexionsmorphologisch betrachtet, lediglich über die Merkmale '2. Person' und 'Numerus'. Nur im Singular existiert eine spezifische Imperativform. Diese ist entweder mit dem Verbstamm identisch (z.B. komm!) oder trägt die Endung -e (z.B. atme!). Der Umstand, dass es keine "extra" Endung gibt, die das Merkmal 'Imperativ' transportiert, wird als "morphologische Armut" bezeichnet.
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Im Plural wird der Imperativ von der 2. Person des Indikativ Präsens gebildet (z.B. kommt!). Die Diskussion ergab, dass die Beispiele Nicht berühren! und Stillgestanden! zwar Befehlssätze sind, aber keinen Imperativ enthalten. In der Fachliteratur liegt hier eine Verwechslung der Kategorien 'Satzfunktion' und 'Modus' vor. Imperative werden üblicherweise in Verberstsätzen in satzinitialer Position gebraucht (z.B. Probier den Blumenkohl!/Verdirb deiner Frau den Abend nicht!), können jedoch auch in Verbzweitstellung verwendet werden, wenn die vorausgehenden Kontituenten phonetisch markiert realisiert werden (z.B. Den Blumenkohl probier!). Imperativsätze knüpfen oft untergeordnete CPs an (z.B. Sag, dass es dir leid tut!), aber sie selbst können nicht eingebettet werden(z.B. *Ich bitte dich, dass Kaffee koch!), es sei denn, es liegt ein metasprachlicher Bezug vor und der Imperativ wird als explikative Apposition (direkte Rede bzw. Zitat) eingefügt (z.B. Der Befehl "Koch Kaffee!"war mir ganz ernst.).
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Bei dem Versuch, den Imperativ im Deutschen der lateinischen Vorlage entsprechend zu bilden, wurde jeder lateinischen Form eine Deutsche zugewiesen, bis auf die 1. Person Singular, weil diese auch im Lateinischen nicht nachgewiesen ist. Herr Gallmann wies darauf hin, dass diese Form im Französischen existiert (z.B. Parlons!). Nach Lateinischem Vorbild entstand ein problematisches Mischsystem aus flexivisch gekennzeichneten (z.B. liebe du), formell mehrdeutigen (z.B. er liebe, sie lieben) und mit Hilfsverben gebildeten Imperativformen. In der Diskussion wurde Habe gestern Klopapier gekauft! als Beispiel für einen künstlichen Imperativ Perfekt angeführt, was von der Referentin auch gleich als Ellipse umgedeutet verstanden wurde – ein Beleg für die Mehrdeutigkeit der am Lateinischen orientierten Nachbildungen. Unter Berücksichtigung des tatsächlichen Sprachgebrauchs erfolgte vor allem durch AICHINGER und BEHAGEL eine Abkehr vom lateinischen Vorbild. Infolgedessen gewannen die Flexionsstruktur im Deutschen und Ersatzformen, die neben der 2. Person Singular zur Imperativdarstellung verwendet werden, an Bedeutung. Die "Inhaltsbezogene Grammatik" wendete sich unter Vernachlässigung der morphologischen Basis vor allem der funktionalen Komponente des Imperativbegriffs zu.
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Der Imperativ kann funktional zur Realisierung von Befehlen, Aufforderungen, Wünschen, Bitten, Rat, Warnungen, Drohungen, Ermahnungen, Verboten Anweisungen oder einer Erlaubnis dienen. Die typische Funktion des Imperativ ist jedoch die Aufforderung. Nach SEARLE gelten folgende Gelingensbedingungen für einen direktiven Sprechakt: die Aufforderung bezieht sich auf zukünftige Handlungen des Adressaten, der Sprecher möchte, dass der Hörer die Handlung ausführt und glaubt, dass er dazu in der Lage ist, es aber nicht aus eigenem Antrieb tun wird.
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Stellt man den Imperativ als Kombination von Sprecherinteressen und vermuteten bzw. bekannten Hörerinteressen dar, ergeben sich die Möglichkeiten AUFFORDERUNG (Handlung des Hörers ist vom Sprecher erwünscht), RAT/WARNUNG (Sprecher wünscht Handlung, Hörer nicht), ANGEBOT/DROHUNG (Handlung ist vom Sprecher erwünscht und für den Hörer zum Nutzen/schädlich), ERLAUBNIS (Handlungsmöglichkeit wird dem Hörer ohne Wertung des Sprechers eröffnet).
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Der Imperativ kann zweierlei Wünsche ausdrücken: Wünsche im Sinne von "sich von jemandem etwas wünschen" (Realisierung liegt in der Hand des Hörers, z.B. Lass mich doch einmal mit deinem neuen Wagen fahren!) und Wünsche im Sinne von "jemandem etwas wünschen" (beinhaltet Verwünschungen, z.B. Werde nie mehr glücklich, dein ganzes Leben lang!) Der Ausdruck von irrealen Wünschen mit dem Imperativ ist dagegen nicht möglich.
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Der 'konditionale Imperativ' lässt sich auch durch andere Funktionen des Imperativs beschreiben und ist daher keine eigenständige Imperativfunktion. Narrativer Imperativ wie z.B. in Und die Käfer kritze kratze! Kommen schnell aus der Matratze ist wahrscheinlich eher den onomatopoetischen Interjektionen zuzuordnen als der Verbform Imperativ, denn er beinhaltet keine Numerusfestlegung. Der 'phatische Imperativ' ist von einer semantischen Entleerung des Verbs gekennzeichnet und tritt bei bestimmten Bewegungsverben (z.B. Komm, geh schon!), Verben des Hörens und Sehens (z.B. Hör mal, das kannst du dir sofort aus dem Kopf schlagen.) sowie Verben der geistigen Tätigkeit auf. (z.B. Stell dir vor, er ist gestern zum Direktor befördert worden.) auf.
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Die meisten Grammatiken klassifizieren den Imperativ als finit, weil bei infiniten Verbformen keine Subjektstelle zulässig ist, beim Imperativ aber eine hinzugefügt werden kann (z.B. Erledigt ihr das!). Donhauser führte hierzu auch Quantorenausdrücke an (z.B. Wascht euch alle die Ohren!). Alle bezieht sich zwar auf das Subjekt, ist aber keins. Daher wird es manchmal als abgetrenntes Attribut bestimmt.
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Für ein prinzipiell vorhandenes Imperativsubjekt sprechen Konstruktionen wie Benehmt euch!, wo sich euch als reflexive Anapher auf ein lexikalisch nicht realisiertes Imperativsubjekt bezieht. Außerdem erfüllen Imperativsätze das Theta-Kriterium. Demnach gibt es im imperativischen Satz eine Argumentposition, die ggf. lexikalisch realisiert werden kann.
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Die Numeruskongruenz des Imperativs kann nachgewiesen werden: *Geh ihr nach Hause! Die Kongruenz zum Subjekt ist schwer nachzuweisen, weil auch die dritte Person zum Subjekt werden kann und die 2. Person in ihrer morphologischen Struktur abweicht. Letzteres ist aber ein schwaches Argument, weil es auf der Annahme beruht, dass es für die 2. Person nur eine einzige zulässige Endung gäbe. Treten Infinitiv und Partizip Passiv in Imperativfunktion auf, kann man die Merkmale Person und Numerus überhaupt nicht von der entsprechenden Verbform ablesen. Man kann den Imperativ also als semifinit bezeichnen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Kategorien, die üblicherweise in Grammatiken angesetzt werden, dem Formenreichtum des Phänomens Imperativ nicht ganz gerecht werden.
Datum: 12. Februar 2008
Thema: Substantivierter Infinitiv / Inflektiv
Referat: Qinqing Rao / Nadine Günschmann
Protokoll II: Aurore Tirard
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Die Sitzung hat mit einigen Tipps Herrn Gallmanns zur Hausarbeit angefangen. Dann wurde ein Protokoll zur letzten Sitzung vorgelesen und kommentiert.
Teil I: Substantivierter Infinitiv
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Als Bestimmung des Themas wurde das Gerundium, oder substantivierter/nominalisierter Infinitiv (= NI), mit dem Infinitiv verglichen. Infinitiv heißt Grundform des Verbs ohne Flexion, während Gerundium eine Flexionsform ist. Das Gerundivum mit passivischer Bedeutung wurde vom Gerundium mit aktivischer Bedeutung unterschieden. Das Letztere kann Adverbien oder Objekte haben.
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Das Lateinische (Vorbild) als Stamm+nd+Flexionsendung unterscheidet sich vom Englischen als Stamm+ing. In beiden Sprachen aber kann das Gerundium verschiedene syntaktische Rollen übernehmen bzw. verschiedene Kasus. Das Deutsche wie das Englische können mit bestimmten Verben entweder Gerundium oder Infinitiv verwenden: I like to cook / I like cooking; Ich brauche zu kochen / Ich brauche kochen.
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Dabei wurde eine Behauptung von Barz (1998) diskutiert. Jedes Verb kann nämlich theoretisch substantiviert werden, sei es einfach oder von Ergänzungen begleitet. Beispiel der Konversion: laufen → das Laufen. Es sind aber mögliche morphosyntaktische Beschränkungen (wie im unpersönlichen Gebrauch der Verben: es empfiehlt sich) und in der semantischen Klassifizierung der Empfindungs- und Bestandverben. NI weisen typische Merkmale der Substantive wie Genus, Referenzialität auf, sind aber wegen ihres defektiven Numerus oder ihres Verhältnisses zur Besetzung der Argumentstellungen untypisch.
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Man kann man beim NI von einer "syntaktischen Konversion" oder "syntaxnahen Ableitung" reden, die in Konkurrenz mit Formen der z.B. ung-Derivation steht. NI sind sehr häufig in der Literatur, bzw. stellen 20% der Substantive nach einer Statistik von1928.
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Die Theorie der Vererbung von Verbargumenten an abgeleitete Nomina und ihrer syntaktischen Realisierung der DP wurde dann dargestellt. Gehört das Gerundium zu den deverbalen Nomina? Es ist eine Frage der Wortbildung, aber auch der Syntax. Die syntaktischen Ansätze bestimmen die syntaktische Realisierung des Arguments eines Verbes, wenn Letzteres substantiviert wird. Die Argumentvererbung und -realisierung wird durch die strukturellen Eigenschaften des Arguments determiniert. Aus Kolombus hat Amerika entdeckt kann man die Entdeckung Amerikas und die Entdeckung Kolombus' ableiten, aber nicht *die Entdeckung Amerikas Kolombus'. Entdecken braucht zwei Argumente (Agens, Patiens), aber Akkusativobjekt sowie Subjekt werden zu Genitivattributen. Das Deutsche kann hier 2 Strategien verwenden: Bewegung (das obere Argument zur Spec-Position verschieben: Kolombus' Entdeckung Amerikas) oder Hilfspräpositionen (Die Entdeckung (von) Amerika(s) durch Kolombus). Dass die Theta-Struktur von Entdeckung die gleiche wie entdecken ist, ist also nur eine Hypothese.
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Die semantischen Ansätze nehmen an, dass NI Argumentstrukturen mit Argumentpositionen haben, die vom Basisverb ererbt wurden. Es wurden fünf Regeln für die Theta-Raster der Verben erwähnt. Zustandsverben wie enttäuschen, begeistern, interessieren können z.B. schwer nominalisiert werden: *das Interessieren vom Buch, *das Interessen der Studenten.
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Schließlich haben wir eine Übung gemacht. Folgendes wurde daraus klar: Das Gerundium ist kein Verbaladjektiv. Es gibt vom Gerundium keine Pluralform. Das Gerundium kann Prädikat eines (nicht Haupt-)Satzes sein. (Fast) alle Verben im Deutschen kann man substantivieren. Es können Objekte und adverbiale Bestimmungen von einem Gerundium abhängig sein. Das Gerundium bildet einen Akkusativ, aber keinen Dativ im Lateinischen. Das Gerundium ist genusfest im Deutschen. Partizipien sind keine Gerundien im Deutschen (man kann sie substantivieren, sie werden aber dabei keine Gerundien).
Teil II: Inflektiv
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Der zweite Teil der Sitzung hat sich mit dem Inflektiv beschäftigt. In der modernen Kommunikation (Chat im Internet, SMS, E-Mails, Fanzines, Boulevardpresse) kann man eine sprachliche Evolution feststellen. Für bestimmte ihrer Verbformen hat Oliver Teuber den Begriff Inflektiv gemünzt.
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Der Inflektiv besteht darin, die Verbendung (e)n wegzulassen und darin eine infinite Grundform, die ihre gesamten anderen morphologischen Formen verloren hat, zu schaffen. Konrad Ehlich nennt sie in semantischer Hinsicht Archiformen, was aus dem Prager Strukturalismus kommt. Der Inflektiv kann einfach (knuddel als Verbstamm, rätselrätsel als Reduplikation…) oder eine ganze Konstruktion (klappeaufreissundhandvorhalt) sein. Semantisch kann er auch auf Geräusche verweisen (quietsch) oder auf mimische bzw. gestische Handlungen (kopfkratz, brems!) oder auch auf Tiere, Gegenstände.
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Inflektive sollte man von Interjektionen und Onomatopoetika unterscheiden, die morphologisch unveränderbar sind. Inflektive haben eine andere phonologische Struktur (Interjektionen weisen seltene Diphthonge wie pfui oder konsonantische Silbenkerne wie pst auf). Alle können aber einen lautmalenden Charakter haben: Durch die Graphie (Reduplikation: bremsss!) oder durch die Ableitung von Onomatopoetika.
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Der Ursprung des Inflektivs sei im 18. Jh. mit der Form knall zu finden (Adelung). Er hat sich dann dank den Comics wirklich entwickelt und verbreitet (Schlobinski). In Comics soll man nämlich Laute und Klänge schreiben bzw. übersetzen, die auf dem Papier nicht realisierbar sind (knarr, zisch) oder auch noch Mimik und Gestik (kick! schalt!). Micky Maus war in der Sache bahnbrechend: poch, schnapp (auf Englisch stimmt der Inflektiv mit dem Infinitiv und der Nominalform über: click z.B. als Geräusch eines Fotoapparats). Die erste Übersetzerin, Erika Fuchs, hat die neuen Inflektive so sehr geprägt, dass man scherzhaft vom "Erikativ" geredet hat (seufz, ächz). Damals galten Inflektive und sogar Comics als absoluter Niedergang der Schriftkultur. Dabei wurden ein paar Bilder aus den ursprünglichen Micky-Maus-Zeitungen projiziert.
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Die Inflektive sind dann in die Jugendsprache eingegangen und haben heute mit Internet und Chatrooms eine Massenverbreitung gefunden. Eine Befragung bei den Studenten hat bewiesen, wie aktiv diese Formen gewöhnlich verwendet werden.
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Typische Inflektive aus Chats und SMS wurde projiziert, darunter Handlungsverben (geh, hüpf), Verba dicendi (denk, frag) und sentiendi (hör, träum), mehrgliedrige Inflektivkonstruktionen (sichwegduck, lieb-anlächel). Es wurde auch bemerkt, wie wenig die Jugendlichen Interpunktion gebrauchen, um immer schneller schreiben zu können.
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Wie werden Inflektive dargestellt? In Comics in einer Sprechblase oder als Beischrift, im Chat durch einschließende Sternchen oder eckige Klammern, in der gesprochenen Sprache hingegen durch mündliche Hinweise (Stimm-, Intonationwechsel, Mimik, Gestik). Sechs verschiedene Schreibweisen des mehrgliedrigen Inflektivs in den See spring wurden dann dargestellt, die Getrennt- und/oder Zusammenschreibung, (Binnen)majuskeln, Unterstriche und Bindestriche mischen. Das Ganze tendiert oft dazu, zu einem einzigen Wort zusammenzuwachsen. Sie werden bei manchen Softwares auch kursiv geschrieben.
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Inflektivkonstruktionen wurden näher betrachet: Sie kommen vor allem in den Chats vor. Die Argumente, Adjunkte und Partikeln des Verbs werden präfigiert und in die Form inkorporiert. Diese Kombination eines z.B. Nomens im Verb ist nicht neu (fernsehen, radfahren). Außer in grinsbereit, knuddeldoll steht die Verbform in letzter Position, was für einen Infinitiv typisch wäre. Das Distributionsschema eines Aussagesatzes ist also hier dasselbe für Flektiv oder Inflektiv.
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Die Inflektivkonstruktion von Ich sehe Jan am Boden liegen ist Jan, *am Boden liegen seh*, wo die Sprecherrolle als Standardannahme eingestellt wird. Der Subjekt-Sprecher braucht nicht formal markiert zu werden.
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Die Adressatenrolle kann optional erfüllt und in der Konstruktion integriert werden: dich ganzdollknuddel. Sie kann auch am Beginn der Rede außerhalb stehen: Jan, *am boden liegen seh*. Sie hat eine wichtige Rolle im Chat.
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Als Schlussbemerkung hat die Referentin hervorgehoben, dass das Inflektivverb jetzt ein dynamisches Phänomen ist, das die Jugendsprache deutlich mitprägt und Zentrum der Betrachtung der Syntax ist. Herr Gallmann hat daran erinnert, dass es in anderen Sprachen wie Englisch, Niederländisch oder asiatischen Sprachen auch zu finden ist. Ein Äquivalent scheint im Russischen auch zu existieren. Dann wurde die Sitzung und das ganze Seminar beschlossen.